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Lynagh

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Montag, 30. März 2009, 14:24

Die Weberin

Die Weberin (1)
Das Haus der alten Åsa Jonsdottir war das letzte Haus des Dorfes und der Waldrand war nur einen Steinwurf entfernt. Die alte Frau lebte zurückgezogen, man sah sie oft am Fenster wo sie bei ihrem Spinrad saß oder beschäftigt an ihrem kleinen Webstuhl. Ihre Arbeiten waren berühmt, denn was sie webte zeigte einmalige und unerwartete wunderschöne Motive und Ornamente, die Farbtöne waren so delikat und so selbstverständlich, daß das Herz lachte und sie waren auch außergewöhnlich delikat in Komposition und zeigten sich in Tönungen die bisher keiner nachahmen je imstande gewesen war. Für diese Kunstweberei bezahlten alle Käufer aus der Stadt und der ferner Welt aus der die reisenden Händler kamen, gerne einen hohen Preis. Natürlich gab es dadurch eifersüchtige oder bösartige Menschen in diesem Weberdorf die behaupteten es ginge bei der alten Åsa Jonsdottir um Zauberei oder böse Magie. Es wurde erzählt sie verwandle sich in der Nacht in eine riesige schwarze menschenfressende Katze und so damit ihre magischen Kräfte speist. Nun es mag sein wie es will, ihre Arbeiten hatten sicher nichts morbides in sich, sie strahlten alle eine intensive Lebensfreude und eine Lebensleichtigkeit aus, die jeden begeisterte.

Kajsa Harmsdottir war es die am meisten ihre giftige Zunge rührte wenn es um die alte Åsa Jonsdottir ging. Diese Frau war es auch welche die eifersüchtigste, neidischste und wirklich bösartigste Klatschbase und nicht bloß nur eifersüchtige Gegnerin der alten Weberin war. Auch sie machte schöne Dinge, jedoch keine ihrer Arbeiten war außergewöhnlich, sie waren gut genug in dem gangbaren Sinne für den Handel und außerdem widmete sie nicht viel Zeit für irgendwelche Hausarbeiten. Ihr Haß wurde mit der Zeit so groß, daß schließlich kein Tag verging an dem Kajsa nicht ihre bösartige Zunge bei dem Brunnen oder am Dorfplatz rührte und fleißig Gerüchte herumstreute. Schließlich verfiel sie dem krankhaften Verlangen nach dem Tod der alten Weberin.

„Ja, das habe ich mit meinen eigenen Augen gesehen,“ behauptete Kajsa auf dem Dorfplatz bei der Bäckerei wo sich immer am Morgen und am Abend die Frauen des Dorfes trafen als sie den Brotteig brachten den sie in der Dorfbäckerei backen ließen. „Eine riesige schwarze meschenfressende Katze!“
„Sie mischt ihre Farben mit Kinderblut“, war die neue Behauptung. Obwohl kein Kind im Dorf vermißt wurde und auch kein erwachsener Bewohner, waren solche absurde Neueigkeiten immer ein aufregendes Ereignis und ein Anfang einer langen Gesprächsrunde bei dem Brunnen, am Marktplatz oder sogar in der Bäckerei. Manche Hausfrau kam zu spät nach Hause, es brannte regelmäßig der Brei in vielen Töpfen an und auf manchem Spieß verbrannte das Fleisch wenn Kajsa voll mit Neueigkeiten kam und wieder mal rief: „Habt Ihr schon gehört, daß...“, oder „Wißt Ihr schon .....“
„Gold hat sie in ihrem Kissen, Gold hat sie vergraben unter der Feuerstelle“, rief Kajsa aufgeregt denn sie war eine habgierige Frau und liebte das Gold. „Wie ein Drache sitzt die Alte auf ihrem Schatz!“ Je mehr Kajsa solche Nachrichten verbreitete desto mehr sie auch schließlich dann ihr eigenes Leben führten und als sie dann wieder zirkulierend durch manche Umwege und mit neuen Einzelheiten geschmückt zu ihr zurückkamen fing sie letztendlich selbst an daran wirklich zu glauben was sie da hörte; auch eimfach weil sie es auch glauben wollte. Kajsa Harmsdottir war nicht besonders kluge oder vorsichtige Frau.

© 2009 Lynagh
***NEC ASPERA TERRENT***


Nil admirari prope res est una, solaque quae possit facere et servare beatum
= sich über Nichts zu wundern ist wohl das Einzige, was einen glücklich machen kann und bleiben läßt
(Horatius)

Lynagh

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2

Montag, 30. März 2009, 16:22

Die Weberin (2)

Wie dem auch sei, manchmal passieren sehr unerwartete Dinge im Leben und das solche in einem Dorf am Rande des Alten Waldes im Norden passierten, würde schon niemanden überraschen. Eines Tages verschwand die alte Weberin ohne eine Spur zu hinterlassen. Als man herausfand, daß ihr Häuschen leer war, ging diese Nachricht wie ein Feuer durch das Dorf. Der Dorfälteste nagelte die Tür und Fenster zu und schickte einen Boten in die Stadt Storvik wo der Sohn und die Tochter der alten Weberim lebten. Am Dorfplatz, bei dem Brunnen und in der Bäckerei summten die gedämpften Stimmen der Frauen wie die Bienen in einem Bienenkorb. Alle waren sie sehr aufgeregt jedoch auch irgendwie bedrückt, denn unerwartete und unerklärliche Dinge am Rande des Alten Waldes bedeuteten nichts gutes und weckten oft die alte Magie der Wesen und Dinge rundherum. Man hörte Fragen die man nicht beantworten konnte, man stellte Behauptungen die nur Vermutungen blieben. Natürlich fehlte auch Kajsa nicht in der Menge jedoch sie schien irgendwie zerstreut und mit etwas was in ihrem Kopf vor sich ging beschäftigt. Wenn schon die anderen Frauen irgendwelche besondere spitze Vermutungen oder säftiges Klatsch erwarteten, so waren sie sicher enttäuscht. Es schien als ob das geheimnisvolle Verschwinden der alten Weberin Kajsa Harmsdottir die Sprache raubte. Natürlich dachte da manche, daß es für Kajsa nicht erfreulich war als das Hauptobjekt ihrer Verleumdung verschwand denn es passierte wenig in dem kleinen Weiler am Rande des Alten Waldes. Lasterhaftigkeit hat nicht viele Brunnen aus den sie trinken kann und in einem Dorf muß man schon aufpassen was man sagt. Die alte Weberin war für Kajsa ein sicheres Ziel, denn die alte Frau lebte alleine und stellte keine Gefahr dar. Ausserdem haßte sie die alte Weberin wegen ihrem Können. Das wußte jeder in dem Weberdorf. Manche Frauen waren auch enttäuscht, denn es bedeutete ein Ende der aufregenden Gespräche am Marktplatz und bei dem Brunnen. Jetzt mußte man warten bis der Sohn und die Tochter der alten Weberin aus der Stadt zurückkamen bevor man irgendetwas überhaupt unternehmen konnte. Am Abend wirkte das Dorf wie ausgestorben denn niemand wußte ob da eine Gefahr oder ein böses Wesen im Wald auflauert. Die Nacht war plötzlich schwer und voll von Magie.

Es war Mitternacht als sich eine Gestalt vorsichtig den Weg tastete der zum Häuschen der alten Weberin führte. Wenn jemand in der Nähe wäre, könnte er hören das da jemand die Bretter von einem der Fenster loszog. Es dauerte nicht lange und eine Kerze wurde in der kleinen Stube angezündet. Kajsa Harmsdottir, in einer Hand einen Spaten, machte sich daran die Steine der Feuerstelle zu entfernen und grub dort wo anders das Feuer brannte. Wer als erster kommt der hat, ging durch ihren Kopf als sie an Gold unter der Feuerstelle dachte. Sie selbst bewahrte das ihre im Kamin und daß sie selbst diese Vermutung in die Welt schickte hatte sie schon längst vergessen. Aus einem Kästchen mit Goldmünzen wurde durch die Umwege ein großer Sack. Kajsa grub und schwitzte von der schweren Arbeit. Plötzlich stürzte die Erde in einen großen Loch und Kajsa stieß unwillkürlich einen Siegesschrei aus. Also es war wahr, dort in einem Gewölbe wird sie den Schatz der alten Weberin finden. Sie zögerte jedoch, denn sie hörte etwas, da bewog sich irgendetwas lebendiges in dem Loch da unten. Sie drehte sich um, um die Kerze die sie auf einem Tisch abstellte zu holen denn das Loch führte wie es schien in ein dunkles Gewölbe. Als sie die Kerze hochhob, ein Schrei entrang ihrer Brust. Bei dem Kamin stand eine große schwarze Katze, so froß wie ein Kalb und fletschte ihre Fangen.
„Ich bin dein fleischgewordener Haß“ knurrte die Katze. „Und jetzt freße ich dich ganz bei lebendem Leibe!“

Als die Dorfbewohner die von den gräulichen Schreien angelockt waren sich dem Häuschen der alten Weberin näherten, bot sich ihnen eine merkwürdige Szene an. Das Häuschen stand im Brand und als man dieses schließlich löschte fand man eine alte unbeschädigte Truhe in der die alte Weberin immer ihre fertigen Stoffe bewahrte. In der Truhe lag die alte Weberin und eine Haarnadel durchbohrte ihr Herz. Kajsas Haarnadel. Von Kajsa Harmsdottir fand man keine Spur, ihr Haß hat sie aufgefressen.
Wie es auch sei und wie auch die Dorfbewohner dahinter kamen was da geschah, vielleicht als sie herausfanden das die fertigen Stoffe unter Kajsas Bett versteckt lagen, wer kann es schon wissen; aber von diesem Tag an wußten die Menschen, daß ein großer ungezügelter und blinder Haß einen selbst vernichten kann. Die Magie und das Alte Gesetz des Nordens: ‚Jede Tat hat den passenden Preis’ war immerhin der beste Richter.


© 2009 Lynagh
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