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Tarja

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Mittwoch, 19. November 2008, 10:48

Wulf und Wulfins Fall - Teil I und II

In jenen langen Jahren, als er Weisheit fand, reiste Wulf aus dem Herzland, in dem er geboren worden war, an die kalte, graue Ostsee im Norden und von dort zur Wärme der Adria im Süden. Dann wanderte er von den Dünenlandschaften der Atlantikküste auf der Iberischen Halbinsel quer durch bis zum Ural, dem Gebirge tief im russischen Hinterland, das die östliche Ausdehnung seines Territoriums markierte. So entstanden die Wolfswege, und die Plätze, an denen Wulf sein müdes Haupt zur Ruhe legte, wurden zu den heiligen Orten, die er in ihrem urtümlichen Zustand kennen lernte.
Damals befreite er aus Felsen und Bäumen und einsamen Seen die anderen Wolfsgötter, die sein Rudel bilden sollten. Diese Götter wanderten in seinem Gefolge und halten ihm die letzten Wolfswege zu schaffen.
Als er sich dem Alter der Reife näherte, fühlte Wulf das Verlangen nach einer Gefährtin, die ihm an Stärke und Weisheit ebenbürtig wäre und ihm helfen sollte, das Rudel zu führen. Doch es gab keine Gefährtin für ihn und die Wolfswege schienen alle vollendet zu sein, außer dem letzten der zurück zu dem Ort führte, von dem er ausgegangen war, zu dem Felsen, der Wulfsfelsen hieß und sich in der geheimen Mitte der nebligen Höhen des Herzlandes erhob.
So kam es, dass er um die Zeit seiner Reife ans Ende seiner Reise gelangte, dorthin, wo seine irdischen Wanderungen begonnen hatten. Auf dem Felsen, aus dem er ausgebrochen war, um frei zu sein, wartete Wulfin, die Wölfin. Woher sie gekommen war, wusste er nicht, denn Wulfin, die Mutter, die andere Seite des Lichts, die andere Seite der Finsternis, ist ein Mysterium wie Wulf selbst. Er wusste nichts über sie, aber er sah sie und wurde von ihr angenommen, und jetzt war das Rudel der Götter fast vollständig. Jedoch noch nicht ganz. Denn Wulf und Wulfin paarten sich und bestimmten, dass ihre Jungen die sterbliche Wolfheit bilden und zusammen, alle sterblichen Wölfe gemeinsam, der zuletzt gefundene Wulf sein sollten - jeder sterbliche Wolf Teil von etwas, das größer war als er selbst und dessen Wahrheit sie während ihres Lebens nur erraten und erst nach ihrem Tod völlig erkennen konnten. Einzeln, für sich allein, waren die erdgebundenen Wölfe sterblich, alle zusammen als Einer waren sie ein weiterer Gott.

So zogen die Götter die sterblichen Jungen auf, und jeder von ihnen gab seine Weisheit auf seine eigene Art an sie weiter - das Wissen von Felsen, Bäumen und Seen, das Wissen vom Leben, das Wissen vom Tod und das allergrößte, die Furchtlosigkeit, durch die das Selbst stirbt und die Wolfnatur erneut gefunden wird.
Die Jungen wuchsen heran, und Wulf und seine Mitgötter, männliche wie weibliche, gerieten in Erregung über das, was geschah. Einige hatten Verlangen nach ihnen, und andere waren eifersüchtig auf sie, denn Götter haben besondere Schwächen.


Also bestimmte Wulf, dass sich kein Wulf zu einem sterblichen Wolf gesellen solle. So würde die sterbliche Wolfheit ihren Ursprung vergessen und die Götter, die sie hervorgebracht und genährt hatten, würden für die sterblichen Wölfe unsichtbar sein. Wenn einer der Götter dieses Gesetz bräche und sich mit einem sterblichen Wolf zusammentäte, dann solle seine Strafe und Qual so viele Jahre dauern, wie er Tage mit dem sterblichen Wolf verbracht hatte.
Dies bestimmte Wulf inmitten der Überreste des Wulfsfelsens, der ihn geboren hatte und er sagte: "Lasst sie ihren Ursprung nicht wissen, denn sonst werden sie davon träumen, was sie sein könnten, und sie werden ihre Augen nicht dem öffnen, was sie sind. Jedoch werden sie uns daran erinnern was wir sind, und mit ihrer Sterblichkeit werden sie uns lehren, unser Sein zu ehren. Als Gegenleistung werden wir über sie wachen und sie leiten, wie die Schatten und das Licht des Waldes mich geleitet haben, als ich die Wolfswege schuf, damit alle folgen können."

"Doch lass ihnen eine ferne Erinnerung an uns", fügte seine Gefährtin Wulfin weise hinzu, "lass sie manchmal in die Sterne schauen, auf dass sie dort die Abbilder der Wolfswege sehen, die du geschaffen hast, damit etwas von unserer Göttlichkeit zu ihnen gelangt, wenn sie bedrückt und voller Furcht sind und wenn sie träumen und unseren Mut suchen. Lass sie auch im Innersten ihres Herzens wissen, dass sie zusammen einen Wulf bilden, der uns gleich ist und von uns geachtet und geliebt wird. Denn ein solcher Glaube an sich selbst wird sie dazu bringen, uns zu ehren und alles, was wir ehren: Alles Leben, die Einheit aller Dinge." Wulf der Große schaute auf die Jungen, die er gezeugt hatte, wie sie zwischen den Felsbrocken des Wulfsfelsens spielten, und sagte: "So soll es sein."

Dann nahmen die Götter von den sterblichen Jungen Abschied, einer nach dem anderen. Sie beobachteten traurig, wie ihre Schutzbefohlenen sie aus ihrem Blickfeld weichen sagen, zurück in die Gestalten von Felsen, Bäumen und Seen, aus denen sie einst von Wulf befreit worden waren, bis nur noch der Wind zurückblieb und von dem flüsterte, was gewesen war. Nun waren die sterblichen Wölfe allein auf der Erde und wussten nicht, dass die Götter ihnen so nah waren, in Felsen, Bäumen und Seen, und sie empfanden nur den Verlust von allem, was sie großgezogen und ihnen Liebe gegeben hatte.
Die Jungen waren verwirrt. Halb erinnerten sie sich daran, was sie verloren hatten, halb glaubten sie, sie seien mehr, als jeder von ihnen als einzelner war. Dann mühten sie sich zu suchen, was sie nicht finden konnten. Die sterbliche Wolfheit zerstreute sich aus dem Herzland, folgte den Wolfspfaden, die Wulf selbst angelegt hatte, wanderte an den heiligen Plätzen vorüber, wo er sich ausgeruht hatte, vergaß ihre Vergangenheit und ihre Aufzucht, vergaß am Ende sogar, dass das Herzland die Heimat gewesen war, und lernte stattdessen, es zu fürchten und sich nie den nebligen Höhen zu nähern, wo sich der Wulfsfelsen erhob.

Doch in der Seele eines jeden Wolfs blieb ein wunderbares Echo jenes sagenhaftes Ortes zurück. In der Erinnerung eines jeden Rudels haftete, von Generation zu Generation weitergegeben, ein Teil der Wahrheit, nämlich dass die Wolfheit selbst ein Wulf war und dass sie einmal in ihrer Vergangenheit eins gewesen waren, von göttlicher Natur und ewig Jahrtausende hindurch wanderten die Wölfe ohne Furcht, Herren des Territoriums, das Wulf ihnen bereitet hatte, und sie ehrten das übrige Leben - sogar die Menschen -, so wie große Katzen, die gefährlichen mit den Säbelzähnen, die vom Kriegswulf Smilodon angeführt wurden.

Die Zeit verging, und die Schatten wurden länger über der Erde, als die Menschen aufhörten zu jagen und zu sammeln und stattdessen Siedlungen anlegten und so die Berührung mit der Wildnis verloren. Um diese Zeit war es, dass die Menschen zum Fluch der Wölfe wurden, zu dem Dämonen, zur Fäulnis in der wilden Rose des Lebens. Sie, die einst schwach gewesen waren, wurden jetzt stark.
Die Menschen bauten ihre Palisaden und trennten sich von de Leben auf der anderen Seite. Sie schliefen unruhig, aus Furcht, ihre Palisaden könnten umfallen. Sie stießen um sich und wälzten sich herum und schufen sich Albträume aus dem, was jenseits der Palisaden lag, und ihre Ängste bündelten sich in der Gestalt des Wolfes. Die in der natürlichen Welt Verbündete gewesen waren, wurden zu Feinden. Die Menschen erklärten den Wölfen den Krieg und sagen in deren glänzenden, grimmigen Augen und gierigen Zähnen eine Wildnis, die sie jetzt fürchteten. Die Menschen gruben und bauten, schaufelten und rammten, töteten Tiere und Pflanzen - und töteten sogar einander selbst. Aber wie die Pilze, die in umgestürzten Wäldern gedeihen, ernährten sie sich vom Verfall und wurden dick vom Tod.

Damals begann die Zerstörung der alten Wolfswege und auch der heiligen Plätze, wo die Wölfe ihre Gemeinschaft mit den Göttern und der Wildnis herbeigeheult hatten. Selbst dorthin drang die Entweihung durch die Menschen und breitete sich aus.
Die Menschen bauten ihre Palisaden quer über die Wolfswege, und dort, wo die Wolfswege die Gewässer und die Flüsse überquert hatten, wo die Wölfe Halt machen und trinken und sich in den lauteren Wassern des Lebens reinigen konnten, wurden Brücken gebaut, die die Menschen für hochheilig erklärten. Die Wölfe, die dachten ihre Wege seien noch sicher, kamen zu diesen Brücken in aller Unschuld, doch die Menschen töteten sie.


Dann begann wahrlich die Zeit von Furcht und Schrecken.

(Quelle: Die Wölfe der Zeit von William Horwood)




„Die Wahrheit bedarf nicht viele Worte, die Lüge kann nie genug haben.“

Nietzsche

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Tarja

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Mittwoch, 19. November 2008, 10:52

Wulf und Wulfin´s Fall - Teil II

Wölfe wurden lebendig an ihren Pfoten an die hölzernen Pfeiler der Brücken genagelt, damit andere sie sehen und als Warnung nehmen sollten. Einige Wölfe wurden enthauptet, ihre Köpfe wurden aufgespießt, als Zeichen der Stärkte und der Entschlossenheit der Menschen. Die abergläubischen Menschen aßen Wölfe und bildeten sich ein, sie würden so die Wildnis verschlingen und zähmen. Wölfe wurden geblendet und kastriert, und die Ungeborenen wurden aus den Leibern ihrer Mütter gerissen und bei lebendigem Leibe verbrannt, den Wolfsgöttern zum wilden Hohn. Doch nur wenige Wölfe, die solche Schrecken beobachteten, überlebten. Die meisten von ihnen lebten und starben fern von den Menschen, erfuhren nie etwas von der Finsternis, die mitten unter ihnen aufkeimte, und sahen oder hörten ihren Feind nicht kommen, bis es zu spät war. So kam es, dass die arglosen Wölfe altes Wissen lernten, das Ehrfurcht vor den Menschen, den Plätzen und voreinander lehrte. "Lasst eure Brüder und Schwestern Plätze haben, so wie ihr die euren habt, und wenn sie euch das Eure nehmen, dann denkt daran, dass sie irgendwo etwas verlassen, was dann frei ist. Nach Norden mag ein Wolf gehen, meine Lieben und nach Süden, nach Osten mögt ihr wandern, oder nach Westen: Zu allen Plätzen führen die Wolfswege und ein Wolf der sie kennt, kann immer seine Bestimmung finden."
So wurden die Wölfe gelehrt, dass die Erde allein gemeinsam gehört und dass ein Wolf, der zu viel für sich nehmen möchte, daraus keinen Nutzen . Auch kann kein Wolf die ganze Erde kennen, denn niemand als die Götter selbst kann alle Orte kennen oder an allen Orten zugegen sein. Ein Wolf sollte sich trösten zu wissen, dass es immer einen Platz für ihn gibt. Wenn Wolfsjunge diese Dinge lernten, dann lernten sie auch, dass , wie der Leib ihrer Mutter ein Ort der Sicherheit, des Trostes und des Friedens ist, das Herzland den Zufluchtsort der Wolfheit darstellt, ihren Anfang und ihr Ende.

Einige wenige Wölfe stellten Vermutungen darüber an, wo dieser Ort war, und manchmal wagten sich Pilger, Ausgestoßene oder Träumer weit weg von ihrem Heimatterritorium fort, um den Weg ins Herzland zu suchen, um dort ihren Traum auszusprechen, dass sie einst auch zu den Göttern gehörten und wieder Götter sein wollten. Aber nach der Zeit, als die Wolfswege von den Menschen unterbrochen wurden, ging der Heimweg in das Herzland verloren.
Warum haben dann die Götter der sterblichen Wolfheit nicht geholfen, den Aufstieg der Menschen zu verhindern? War das nicht ihre Aufgabe? Oder lag es daran, dass sie es nicht sahen?

Die Wahrheit ist, dass die Götter so fehlbar und blind wie ihre sterbliche Wolfheit sein können - und noch anmaßender. Als die Menschen ihr unerbittliches Zerstörungswerk fortsetzten, waren die Götter nicht bereit zu sehen, dass ein Fluch über die Wolfheit hereinbrach, Doch jetzt war das ureigene Verhängnis des Wolfes nahe. Unter den Göttern sah es der am wenigsten, der der Weiseste von ihnen hätte sein sollen: Wulf selbst. Und warum? Weil er sein eigenes Gesetzgebrochen und sich zu einer sterblichen Wölfin gesellt hatte.
Das erste Mal, als Wulf mit seiner sterblichen Gefährtin zusammenging, vergab ihm Wulfin, und Wulf schämte sich. Das zweite Mal vergab ihm Wulfin, und Wulf war zornig. Das dritte Mal... Als Wulf zum dritten Mal mit seiner sterblichen Gefährtin ging, war der Himmel voller Sternschnuppen, die Erde erbebte unter fallenden Meteoriten, und die Wälder standen das ganze Jahr seiner Sünde in Flammen. Seine sterbliche Gefährtin empfing einen Wurf. Als Wulfin Wulfs Sünde nicht verzieh, sagte er stolz: "Aber ich bin Wulf, und du kannst mir kein Leid antun." Sie tat es auch nicht, denn sie brauchte es nicht zu tun. Der Götter eigene Gesetzt waren von Wulfs selbst gebrochen worden und so wie eine Rose von dem verborgenen Wurm in ihrem Inneren verzehrt werden kann, so begann Wulf selbst zu sterben.

Während der Bauch seiner sterblichen Gefährtin zunahm, wurde er schwächer, Tag um Tag und Monat um Monat. Er verlort seine Führungsstellung an Wulfin. Auch Götter müssen nach dem Gesetzt leben - und auch unter dem Gesetz leiden.
Wulfin hatte die Gefahr gesehen, die in der zunehmenden Stärke der Menschen und der bösen Natur ihrer Angst lag. Sie war maßlos zornig, dass ihr Gefährte das Rudel der Götter selbst so gefährdet hatte, als er seine Stärke einer sterblichen Wölfin geschenkt hatte. Wulfin erklärte, was bald geschehen würde." Nach dem Gesetz, das du selber geschaffen hast, wirst du für schuldig befunden, und mit der Strafe, die du festgelegt hast, sollst du selbst gestraft werden. Tausend Tage bist du mit einer sterblichen Wölfin gegangen. Tausend Jahre musst du nun mit den sterblichen Wölfen laufen und ihr Leid und ihr Elend kennen lernen. Du, der du hättest sehen sollen, wie die Stärke der Menschen zunimmt und die Wildnis verdirbt, du wirst nun diese Qualen ein ganzes Jahrtausend lang erleiden. Du selbst sollst eines der beiden Jungen sein, die von deiner sterblichen Gefährtin geboren werden, und da du die sterbliche Wolfheit ihren Ursprung nicht hast wissen lassen, wirst auch du vergessen, was du einst gewesen bist. Du sollst von gewöhnlichen Wölfen geboren werden, um wie sterbliche Wölfe zu sterben und wieder geboren zu werden, Leben um Leben, ohne zu wissen, was du einst warst. Du sollst Tod um Tod erleiden und in jedem Leben wieder etwas lernen von dem, was ein Wulf wissen sollte. Jedes Mal sollst du etwas wissender wieder geboren werden. Und wie deine Weisheit zunimmt, so soll auch dein Leiden zunehmen. Bis ein Leben für dich kommt, mehr als neunhundertneunzig, sterbliche Jahre von jetzt an, in dem du alles lernen musst, was du aufs Neue in einem Leben gelernt hast, alles erleiden musst, was du erlitten hast, alles verlieren, was du verloren hast, und doch musst du noch immer streben, deinen Kopf zu den Sternen zu heben, und zu sehen, was du einst verloren hast. Wenn du dann noch die Stärke hast, der Wulf zu sein, der du einst warst, dann wirst du einmal mehr auf dich als Wulf erheben. Wenn nicht, dann wird die Wolfheit sterben."
Der sterbende Wulf starrte seine Wulfin an, blickte in ihre klaren Augen und sah, was er verloren hatte. Er sah, dass er sie liebte und dass sie, trotz allem, auch ihn liebte. "Und was ist mit dem anderen Jungen, das meine sterbliche Gefährtin zur Welt bringen wird?" flüsterte er. Wulfin schwieg lange, unsicher, ob sie sagen sollte, wer dieses Junge sein musste. Aber dann sagte sie schließlich: "Dieses Junge erde ich selbst sein, damit du nicht allein auf der Erde bist, und damit dich all dein Leiden hindurch ein anderer sterblicher Wolf wahrhaft liebt." "Wirst du wissen, wer ich bin?", fragte Wulf, als aus dem Herzland der Wölfe das Geburtsgeheul seiner sterblichen Gefährtin ihn hinab zur Erde zu rufen begann, hinein in ein dunkles Jahrtausend der Sterblichkeit. "Ich werde nicht vergessen", flüsterte Wulfin und berührte ihn. "Ich werde wissen, aber mit wem kann ich mein Leiden teilen? Gewiss bin ich mitverantwortlich für deinen Fall, und mein Leiden wird sein, das Leiden all deiner Leben zu beobachten und unfähig zu sein, dir wirklich zu helfen, bis das letzte deiner Leben anbricht." Wulf sah, wie tief ihre Liebe für ihn war. Als er starb, war sein Geheul schwach und sanft, wie das Gefiepe eines Jungen, das nach der Wölfin ruft, die es noch nicht sehen kann. So fiel Wulf von den Göttern zur Erde, und so folgte ihm Wulfin, um sterblich wieder geboren zu werden und den Fluch eines dunklen Jahrtausends zu durchleben; der eine, um danach zu streben, wieder die Welt als Wulf zu sehen, die andere, um dem, den sie liebte, all den Trost zu bringen, den sie konnte.

Mit dem Fall von Wulf und Wulfin zu der Zerstreuung des Rudels der Götter begann Rudel um Rudel der sterblichen Wölfe seinen Glauben zu verlieren. Überall in Wulfs Territorium fanden die Menschen die Wölfe schwach. Mehr und mehr Wolfspfade wurden zerschnitten, die Rudel wurden getrennt. Der Feldzug zu ihrer Ausrottung hatte mit dem Beginn dieses verhängnisvollen Jahrtausends angefangen. Stolz und Torheit, Untreue und Versagen in der Liebe, sie brachten die Wölfe zu Fall und bewirkten, dass sie fast ausgerottet wurden in der Zeit, die auf Wulfs Bestrafung folgte. Schlimmer noch war das Vergessen, denn wenn Gemeinschaften zerbrechen, wenn nicht einmal die Wanderer weit reisen können, ohne zu Ausgestoßenen ihrer Art zu werden, dann verschwindet mit dem Tod eines jeden Wolfes etwas von der Vergangenheit, sodass jede Gemeinschaft nur noch Bruchstücke dessen hütet, was sie einst wusste und gemeinsam hatte.
Selbst die Geschichten von den Göttern und von dem Fluch, der auf Wulf ruhte, gerieten fast in Vergessenheit, außer dass irgendwo in den verflossenen Jahrtausend ein Wolf, der - ohne es zu wissen - Wulf selbst war, lebte und starb und wieder geboren wurde, jedes Mal ein wenig weiser, nie wissend, was er war, aber immer bestrebt, wieder die Göttlichkeit zu finden, die er gekannt und verloren hatte und die für alle Ewigkeit wieder zu gewinnen er schließlich in seinem letzten Leben noch einmal Gelegenheit haben würde.
„Die Wahrheit bedarf nicht viele Worte, die Lüge kann nie genug haben.“

Nietzsche

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