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Tarja

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Sonntag, 16. November 2008, 09:07

Thüringen - Wartburg

Wieder einmal hetzte die Jagdmeute des Grafen Ludwig des Springers durch die Wälder am Rennsteig. Männer zu Pferde prasselten durch das Dickicht der Fichten und Buchen, angeführt von kläffenden Hunden. Die Armbrust im Anschlag verfolgten sie den Hirsch, der vor Erschöpfung seine Flucht nicht mehr zu steuern wusste und in wilden Sprüngen den eisernen Pfeilen der johlenden Jäger doch noch zu entkommen suchte.
Längst hatten die Männer den Inselsberg hinter sich gelassen, waren über Ruhla hinaus bis an die Stelle gelangt, die Hohe Sonne hieß, wo der Rennsteig bald seinem westlichen Ende entgegenführte. Und im Glanz des scheidenden Herbsttages machten die Jäger Rast als Ludwig rief: "Halt, hier wollen wir ausruhen und Kraft schöpfen für den Heimweg." Er stieg vom schweißnassen Pferd und überwältigt vom Blick auf das Thüringer Land setzte er mit feierlichem Ausdruck hinzu: "Wart' Berg - du sollst mir eine Burg werden!" Da vernahm er nun von altern Jagdbegleitern, daß jener Berg nicht sein und seines Vaters Eigen sei, sondern der Frankensteiner, deren Gebiet an das seine grenze. Aber das irrte den Grafen Ludwig nicht, er ersann eine sonderliche List, ließ von seines Vaters nahem Gebiete heimlich und zur Nachtzeit Erde in Körben auf den Gipfel schaffen, sie droben handhoch übern Boden breiten, dann begann er Wälle aufzuwerfen und Grund graben zu lassen. Spät genug wurden die Herren von Frankenstein inne, daß hoch über ihrem Mittelstein jemand baue, ohne sie zu fragen. Ob sie das nun schon nicht leiden wollten, so ging es ihnen wie dem Knaben im Liede, der das Röslein brach, sie mußten es eben leiden, denn wenn sie den Grafen angriffen, so konnte er von seiner Höhe herab mitten in ihren Mittelstein ganze Fuder von Steinen schleudern lassen. Nun war gerade eine Zeit grausamer Hungersund Durstnot, als dieses sich im Jahre 1067 zutrug; es gab so wenig Wem, daß er an manchen Orten sogar zum Abendmahl fehlte, welches sehr schrecklich war. Da nun die Armen allerorten hörten, daß der Thüringer Graf eine Feste baue, so strömten sie in Scharen herzu und schleppten Steine und halfen arbeiten, nur um das tägliche Brot zu gewinnen und nicht Hungers zu sterben, denn es hatte sich schon zu dieser Zeit zugetragen, daß ein Mann aus dem Grabfeld, der auch mit seiner Frau und einem zarten Kinde nach Thüringen herein zum Burgbau zog, sein Kind hatte schlachten und essen wollen, welches auch geschehen wäre, wenn ihm nicht Gott zwei Wölfe gezeigt, die soeben eine Hinde zerrissen hatten. Da scheuchte er die Wölfe von ihrer Beute und führte die Hinde zur Sättigung mit sich fort.

Mittlerweile klagten nun die Herren von Frankenstein bei Kaiser und Reich, daß der Graf auf das Ihre baue, und da auch zu jener Zeit die Prozesse schon die längliche Natur hatten, die ihnen zum großen Nutzen und Frommen der Gerichte und Anwälte bis auf unsere Tage wohlweislich erhalten worden ist, so wurde der Bau unterdessen fertig, und der Graf nannte die neue Burg Wartburg, von dem Wort, so er damals gesprochen, als er den Berg zum ersten erblickt hatte. Wie nun endlich ein Spruch geschehen sollte, da erbot sich der Graf zum Beweise gegen die Frankensteiner, daß er nicht auf das Ihre, sondern auf das Seine baue, erkor sich nach der Sitte zwölf Eideshelfer, das an Ort und Stelle eidlich zu erhärten, trat mit diesen Ehrenmännern hin, zogen ihre Schwerter, steckten sie in den aufgeschütteten Boden und schwuren mit ihm einhelliglich, daß sie auf des Grafen eigner Erde und auf seinem Boden ständen. Gegen die Eidesleistung solcher Schwurhelfer und Geschwornen galt nun keine Einrede, und die Herren von Frankenstein mußten vom Gericht von Rechts wegen das höchste Unrecht leiden. Also ist die Wartburg erbaut und benannt worden. In neuerer Zeit sind auf ihr tief unterm Schutt zwölf große eiserne Schwertklingen, stark gerostet, überkreuzt beisammenliegend, aufgefunden worden, und wird dafür gehalten, daß das die Schwerter der Eideshelfer Graf Ludwigs gewesen, die in den Boden eingesenkt worden, diesen noch mehr zu festen.


Quelle: Ludwig Bechstein, Deutsches Sagenbuch, Leipzig 1853
„Die Wahrheit bedarf nicht viele Worte, die Lüge kann nie genug haben.“

Nietzsche