Picea abies (L.) H.Karst.
Abb.: Flora von Deutschland Österreich und der Schweiz (1885)
Herkunft:
lateinisch pix=Pech/Harz
Mittel- und Südeuropa, auch Nordamerika
Volksname:
Gemeine Fichte, Feichte, Feicht'n, Feichten, Gräne, Krestling, Pechtanne, Rothtanne, Rottanne, Schwarztanne,
Pflanzenfamilie:
Kieferngewächse (Pinaceae)
Verwendete Pflanzenteile:
junge Triebe (Maiwuchs), Nadeln, Harz
Sammelzeit:
Triebe im Frühjahr
Nadeln und Harz Juni bis August
Inhaltsstoffe:
ätherisches Öl, Terpentinöl, Harz, Glykosid Picein, Gerbstoff, Vitamin C
Heilwirkung:
Das ätherische Fichtennadelöl (oleum abictis) wird durch Wasserdampfdestillation besonders aus den Nadeln gewonnen. Es wirkt anregend, antibakteriell, beruhigend, schleimlösend, schweißtreibend, tonisierend und wird hauptsächlich äußerlich und innerlich bei katarrhalischen Erkrankungen der oberen und unteren Luftwege, aber auch bei Magenbeschwerden und Zahnfleischbluten angewandt.
Die äußerliche Anwendung mit Fichtenrezepturen (Franzbranntwein) hat sich als besonders wirksam bei rheumatischen Beschwerden und bei Muskel- und Nervenschmerzen erwiesen, es fördert die Durchblutung und lindert den Schmerz.
Als Badezusatz oder Inhalat befreit es die Atemwege, fördert die Durchblutung und beruhigt und entspannt die Nerven.
Aufgrund seines hohen Vitamin-C-Gehaltes hilft Fichtennadel-Tee nicht nur bei Erkältungskrankheiten, sondern auch bei Frühjahrsmüdigkeit und andere Vitamin-C-Mangel-Erscheinungen. Auch heute gilt in der Volksmedizin die Abkochung der Fichten Sprossen als Blutreinigungsmittel und hilft bei Husten, Katarrhen der Luftröhre, Lungenverschleimung, Gicht, Rheumatismus, Magenkrämpfen, Blähungen, Verdauungsschwäche, Würmern, Flechten, chronischen Hautleiden, Durchblutungsstörungen und Muskelkater. Besonders lecker und aromatisch ist der Tee, wenn er mit Fichtennadelhonig gesüßt wird.
Fichtennadelsirup (Wipferlsaft) ist ein wirksames und wohlschmeckendes Mittel gegen festsitzenden Husten und Schleim in der Lunge, er reinigt und desinfiziert die Bronchien.
Bei Asthma und Krampfhusten sollte auf eine Anwendung verzichtet werden, weil durch die starke Anregung der ätherischen Öle die Krämpfe verstärkt werden können.
Das Terpentinöl enthält das ätherische Öl und Harz der Fichten, Tannen und Kiefern. Neben seiner Heilwirkung wirkt es auch hautreizend und in höherer Dosierung kann es auch zur Blasenbildung kommen, deshalb ist bei der Anwendung Vorsicht geboten.
Die Fichtenspitzen werden in Tees, alkoholischen Lösungen, Salben, Gelen, Emulsionen, Ölen oder als Inhalat verwendet.
Geschichte:
Tannenwälder galten in vorchristlicher Zeit ebenso wie Eichenwälder als heilig.
Die Priester bedienten sich der Tannenzweige und Samenkapseln zum Fest der Wintersonnwende (Tansanafest=Julfest). Mitten im Marsischen Walde mit unsterblichen Fichten und ringsum eingezäunt mit ewigen Eichen, ein Wunderwerk der Natur, unnachahmbar menschlicher Kunst, befand sich der Tempel der Göttin Tansana. Ein heiliger Ort, der die Schönheit des wechselnden Jahres in engen Bezirken und wie im kleinen gebildet vereinte. Nach einem Bericht Tacitus zufolge wurden die hier feiernden Germanen während des Festes der Göttin Tansana von den Römern überrascht und niedergemetzelt und der (Natur) Tempel der Erde gleich gemacht. Der Tempel soll sich zwischen Ems und Lippe befunden haben.
Bei den Kelten ist die Wintersonnenwende am 21. Dezember der Föhre geweiht, nach dem keltischen Baumalphabet der Vokal A= Ailm. Der Brauch Tannenzweige zur Zeit der Wintersonnwende zu verwenden, findet sich bis heute in unseren Tannenbäumen wieder.
Paracelsus erwähnt die Blutgerinnende Wirkung des Harzes von Fichte, Tanne und Lärche. Als Warzenmittel und Pechpflaster gegen Schenkelgeschwüre wurde eine Abkochung von Fichtenzapfen verwendet (Matthiolus). Bock rühmte das Terpentin der zusammengefaßten verschiedenen Koniferenarten wie Tanne, Lärche und Fichte als Mittel gegen Schwindsucht, veralteten Husten, Blutspeien, sowie als Magenmittel.
Nach Lonicerus sind gesottene Tannenblätter gut für entzündete Wunden und Zahnweh. Das Tannenharz mit Honig gekocht, ist für Schnupfen und Halswehe, Angina und alle äußerlichen Schäden am Leib genannt. Terpentin soll Brust, Lunge und Leber reinigen und heilen und gut für die Schwindsucht (Tuberkulose) sein.
Die Fichte gilt als Brotbaum der Waldbesitzer. Das wertvolle Bauholz liefert die Fichte erst nach 100 Jahren, es wird zu Tischlerarbeiten, im Orgel- und Instrumentenbau auch für hochwertige Geigen (Stradivari, Amati und Bergonzi) und für Resonanzböden verwendet. Früher suchten die Geigenbauer im Wald selbst ihre "Klanghölzer", was nicht selten mehrere Monate in Anspruch nahm. Das minderwertigere Holz wird in der Papierindustrie verwendet.
Wegen ihrer stacheligen Nadeln sollen Tannen- und Fichtenzweige Hexen und anderes Unheil abgewehrt haben. Um sich vor Blitzeinschlag zu schützen, legte man Fichtenspäne unter das Bett.
Im Mittelalter wurde aus dem Harz der Fichten eine schwarze, zähe Masse (lat.Picea=pix=Pech) hergestellt, daß von den Mauern und Burgzinnen den Feinden über den Kopf geschüttet wurde und es so manches Mal gelang, diese in die Flucht zu schlagen. Daher auch der Spruch: "Pech gehabt!"
Im Allgäu sollte man dem Volksglauben nach die abgeschnittenen Finger- und Fußnägel eines Kranken in Papier wickeln und am frühen Morgen einer jungen Fichte mit den Worten: "Guten Morgen Frau Fichte, da bring' ich dir die Gichte" unter die Rinde schieben.
Bei langanhaltenden, wiederkehrenden oder sich verstärkenden Beschwerden, sollte immer ein erfahrener Mediziner zur Abklärung der Ursachen konsultiert werden.