Das Räuberfest.
Ein festlicher Ball zu Griebelschied bei Kirn bildet den Höhepunkt dieser Tage. Die "lieben Untertanen" von nah und fern erscheinen, einschließlich aller Bürgermeister und Amtspersonen der hörigen Dörfer. Und als eine berühmte Tänzerin von Paris nach Mainz durch den Hunsrück fährt, wird ihr Reisewagen an einer einsamen Stelle mit gezogenen Pistolen angehalten. "Eingeladen" auf diese wenig alltägliche Art, muß sie ein unvorhergesehenes Gastspiel vor der Bande geben, ehe sie hochbelohnt und wohlbehalten weiterreisen darf. Gerne hat sie später der naiven Lebenslust ihrer seltsamen Gastgeber gedacht und immer wieder versichert, wie anständig es in dem Räuberkreis zugegangen sei. Verfolgung aufgenommen.
Während um 1801 die französische Polizeiordnung allmählich an Wirksamkeit gewinnt, fängt auch die Bevölkerung an, von sich aus Widerstand zu leisten. Als Schinderhannes 1801 den jüdischen Großkaufmann Seckel Löw zu Staudernheim an der Nahe überfällt, eilen die Bauern der beliebten Familie auf ihre Rufe hin bewaffnet zur Hilfe. Eine wüste Schießerei zwingt die Banditen trotz heftiger Gegenwehr zum Rückzug. Weitere nächtliche Straßenkämpfe folgen in anderen Ortschaften.
Schinderhannes Stern beginnt zu sinken, obwohl er jetzt erst recht mit seinen Gesellen Raub auf Raub ausführt. Im Frühjahr 1802 schließen sich spanische Gardinen überraschend hinter den wichtigsten Helfern. Das französische Kaiserreich sieht im Kampf gegen daß Räubertum am Rhein immer mehr eine Prestigefrage. Seine Gendarmerie, durch viele Mißerfolge erbittert, greift zu so oft sich Gelegenheit bietet. Deutsche Mitarbeiter leisten wertvolle Dienste. Jeder erwischte Dieb steht umgehend vor einem französischen Militärgericht, aus dessen Fängen ihn bloß gelegentlich die Schwierigkeit der Offiziere erlöst, Mundart zu verstehen.
Im Frühling 1802 geschieht ein "Wunder": Schinderhannes gibt auf. Da er sich nicht mehr sicher fühlt, will er als reisender Händler ein bürgerliches Leben wiederbeginnen. Aber es ist zu spät. Nur mit Mühe entgeht er Anfang Juni 1802 einer Verhaftung auf dem Westerwald. Schinderhannes muß untertauchen, läßt sich deshalb für die deutsche kaiserliche Armee anwerben, damals für verdächtige Subjekte der beste Weg, auf Nimmerwiedersehen zu verschwinden. Doch ein "kleiner Kollege" erkennt ihn im Regiment und zeigt ihn an, um die hohe Belohnung zu erhalten, die auf seinen Kopf ausgesetzt worden war. Die Verhaftung erfolgte in Frankfurt, die Auslieferung an die französischen Behörden in Mainz.
Neun Monate dauern die Verhöre über 564 Punkte. Da Schinderhannes auf einen Gnadenakt durch Napoleon hofft, ist er geständig. Seine Geständnisse aber liefern die große Zahl der Helfer der Justiz aus.
Gericht in Mainz gegen 68 Angeklagte.
Am 24. Oktober 1803 eröffnet ein Spezialgericht im damals französischen Mainz die Hauptverhandlung gegen 68 Angeklagte. 173 Zeugen lädt die Staatsanwaltschaft, 260 Zeugen laden die neun Verteidiger. 53 Verbrechen allein werden Schinderhannes zur Last gelegt, während die Prozeßakten sechs schwere Foliobände füllen und in französischer und deutscher Sprache ausgefertigt werden. Tausende Gäste aus ganz Europa weilen in Mainz und streiten täglich um die 500 Eintrittskarten, deren Preise ständig steigen und deren Erlös der Armenkasse zufließt. Zwei volle Tage dauert die Verlesung der Anklageschrift.
Am Nachmittag des 19. November zieht das Gericht seine Mitglieder zur Beratung zurück, am 20. November verkündet das Tribunal das Urteil gegen 42 Angeklagte, überweist einen zuständigkeitshalber den Gerichten zu Saarbrücken und spricht 20 Personen, mangels Beweises meist, frei. Auf Schinderhannes und 19 Komplizen erkennt das Gericht die Todesstrafe. Drei Morde, 20 Raubüberfälle und 30 Diebstähle hält das Gericht bei Schinderhannes für erwiesen. Kerkerketten und Zuchthaus erwarten die anderen, Vater Bückler erhält eine 22jährige Kettenstrafe. Julchen Bläsius (die trotzdem später noch einen Gendarmen heiratet und 1851 als wohlachtbare Bürgersfrau stirbt) erhält lediglich zwei Jahre Zuchthaus. Am 21. November 1803 vollstreckt die Guillotine vor den Toren von Mainz die Todesurteile. 40 000 Zuschauer umdrängen neugierig die Ruhestätte.
Lit. Dr. K. Rockenbach Die Brücke Beil. zur Trier. Landeszeitung No. 06/1968
Quelle