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Registrierungsdatum: 25. April 2008

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Dienstag, 13. Mai 2008, 16:36

Sagen aus Island 3 Fortsetzung

Während des Gespräches des Königs mit der Königin kamen drei Kinder, die jünger waren als die vorher erwähnten, zu ihnen herein und äußerten ebenfalls ihre Freude darüber, daß sie ihre Mutter wiedersahen. Königin Hildur erwiderte ihren Gruß liebevoll, nahm das jüngste Kind auf den Schoß und streichelte es, es war aber schlecht gelaunt und unruhig. Die Königin ließ dann das Kind herunter, streifte einen Ring vom Finger und gab ihn ihm zum Spielen. Da wurde das Kind still und spielte eine Weile mit dem Gold, verlor den Ring aber schließlich auf dem Boden. Der Hirt stand in der Nähe, beeilte sich und erhaschte den Ring, als er zu Boden fiel, steckte ihn zu sich und verbarg ihn gut, ohne das es jemand merkte; es schien aber allen merkwürdig, daß der Ring nirgends zu finden war, als man nach ihm suchte. Als die Nacht zum größten Teil verflossen war, begann Königin Hildur, sich zum Fortgang zu rüsten, aber alle, die in der Halle waren, baten sie, noch länger zu verweilen, und waren sehr traurig, als sie sahen, daß sie fortziehen wollte. Der Hirt hatte beobachtet, daß an einer Stelle in der Halle ein uraltes Weib saß, das entsetzlich anzusehen war; sie war die einzige von allen, die sich weder über die Ankunft der Königin Hildur gefreut hatte, noch sie bat, zu bleiben, als sie fortziehen wollte. Als der König die Wanderlust Hildurs sah, und daß sie sich nicht zum Bleiben überreden ließ, weder durch seine noch durch anderer Bitten, ging er zu dem Weib und sagte: "Nimm nun deine Flüche zurück, Mutter, und erhöre meine Bitten, so daß meine Königin mir nicht mehr fern zu sein braucht und meine Freude über unsere Zusammenkünfte von so kurzer Dauer ist, wie sie es jetzt war." Das alte Weib antwortete ihm voller Zorn: "All meine Flüche sollen bestehen bleiben, und nichts soll mich erweichen, sie zu widerrufen." Der König schwieg dazu und ging voller Kummer zu seiner Königin, legte ihr den Arm um den Hals und küßte sie und bat sie noch einmal mit sanften Worten, doch nicht fortzuziehen. Die Königin sagte, daß die Flüche seiner Mutter ihr verböten, anders zu handeln; sie äußerte, es wäre nur wenig Wahrscheinlichkeit dafür da, daß sie sich häufiger sehen könnten, des Schicksals wegen, das über sie verhängt wäre, und daß die Tötungen, die ihretwegen geschehen wären, und deren es nun so viele geworden seien, nicht länger verborgen bleiben könnten, und daß sie deshalb die wohlverdiente Strafe für ihre Taten erleiden müßte, obgleich sie sie ungern verübt hätte.

Während sie in diese Klagen ausbrach, entfernte sich der Hirt aus der Halle, als er sah, wie die Dinge standen; er ging geradeswegs über die Wiese nach der Spalte und wieder hinauf auf den Weg. Dann versteckte er den Zauberstein, zäumte sich wieder auf und wartete, bis Hildur kam. Nach Verlauf einer kurzen Zeit kam Königin Hildur allein und mit trauriger Miene; sie setzte sich auf seinen Rücken und ritt nach Hause. Als sie dort angekommen waren, legte sie ihn wieder in sein Bett, zäumte ihn ab, ging darauf selbst zu Bett und begann zu schlafen. Obgleich der Hirt die ganze Zeit über hellwach gewesen war, stellte er sich doch schlafend, damit Hildur nichts merken sollte. Als sie aber zu Bett gegangen war, machte er sich nichts mehr daraus, vorsichtig zu sein; er verfiel in tiefen Schlaf und schlief, wie zu erwarten war, bis weit in den Tag hinein.

Am nächsten Morgen stieg der Bauer von allen auf dem Hof zuerst aus dem Bett; denn es lag ihm am Herzen, seinen Schafhirten zu sehen, er erwartete aber statt der Weihnachtsfreude den Kummer, ihn tot in seinem Bett zu finden, so wie es früher geschehen war. Während der Bauer sich anzog, erwachten die übrigen Leute des Hofes und zogen sich ebenfalls an, der Bauer aber ging an das Bett des Hirten und berührte ihn mit der Hand. Da merkte er, daß er am Leben war, und war froh darüber und pries Gott in hohen Tönen ob dieser Gnade. Da erwachte der Hirt frisch und munter und zog sich an. Währenddessen fragte ihn der Bauer, ob etwas Neues während der Nacht passiert sei. Der Schafhirt erwiderte: "Nein, aber einen sehr merk" würdigen Traum habe ich gehabt."

"Wie ist denn der Traum gewesen?" fragte der Bauer. Da begann der Hirt seinen Bericht von dem Augenblick an, von dem wir erzählt haben, daß Hildur an sein Bett getreten war und ihn aufgezäumt hatte, und dann gab er jedes Wort und jedes Ereignis so genau wieder, wie er sich daran erinnern konnte. Als er mit seiner Erzählung fertig war, saßen alle schweigend da, außer Hildur, die sagte: "Alles, was du gesagt hast, ist gelogen, wenn du nicht durch deutliche Zeichen beweisen kannst, daß es so zugegangen ist, wie du erzählst." Der Hirt ließ sich dadurch nicht in Verlegenheit bringen, sondern holte den Ring hervor, den er nachts vom Erdboden im Alf heim aufgenommen hatte, und sagte: "Wenn ich es auch nicht für meine Pflicht halte, eine Traumsage mit Zeichen zu beweisen, so trifft es sich doch so glücklich, daß ich einen klaren Beleg dafür habe, daß ich in dieser Nacht bei den Huldren gewesen bin; oder ist das nicht dein Fingerring, Königin Hildur?" Hildur antwortete: "So ist es, und Gott segne dich dafür, daß du mich aus der Sklaverei befreit hast, die mir meine Schwiegermutter auferlegt hat; nur ungern habe ich alle die Missetaten begangen, die sie mir geboten hat." Königin Hildur fing dann ihre Geschichte also an:

"Ich war eine Huldrejungfrau aus geringem Geschlecht, aber der, der jetzt König über das Alfheim ist, wurde von Liebe zu mir erfaßt und, obgleich es sehr gegen den Willen seiner Mutter war, nahm er mich zur Frau. Da wurde meine Schwiegermutter so zornig, daß sie ihrem Sohn versprach, daß er nur kurze Freude an mir haben solle, jedoch würde es uns gestattet sein, uns ab und zu zu sehen. Mir aber erlegte sie auf, daß ich Sklavin unter den Menschen werden sollte, und damit war das Unglück verbunden, daß ich jedesmal zu Weihnachten den Tod eines Menschen verursachen sollte, dergestalt, daß ich, während ich schlief, ihn aufzäumen und auf ihm denselben Weg reiten sollte, den ich diese Nacht auf dem Hirten geritten bin, um den König zu besuchen; und dies sollte solange währen, bis ich dieser Bosheit überführt und deswegen getötet würde, wenn ich nicht einen so kecken und mutigen Mann fände, daß er mir nach Alfheim zu folgen wagte und dann beweisen könnte, daß er dorthin gekommen wäre und gesehen hätte, womit die Leute sich dort beschäftigten. Nun ist klar, daß sämtliche früheren Hirten des Bauern um meinetwillen den Tod gefunden haben, seit ich hergekommen bin, und ich hoffe, daß man mir nicht anrechnen wird, was gegen meinen freien Willen geschehen ist; denn niemand hat den unterirdischen Weg gefunden und ist aus Neugierde in die Wohnstätte der Huldren eingedrungen, vor diesem mutigen Mann, der mich nun aus meinet Sklaverei und von meinem Fluch erlöst hat, und ich werde ihn dafür belohnen, wenn es auch nicht gleich geschieht. Jetzt kann ich nicht länger hier bleiben, habt Dank für die Güte, die ihr mir erwiesen habt, aber die Sehnsucht zieht mich nach meinem Heim."

Nachdem sie so gesprochen hatte, verschwand Königin Hildur, und später sah man sie nie wieder unter den Menschen.

Von dem Schafhirten aber wird erzählt, daß er sich verheiratete und im nächsten Frühjahr einen Hausstand gründete. Das konnte er auch, denn erstens zeigte sich der Bauer freigebig ihm gegenüber, als er aus seinem Dienst zog, und dann war er auch selbst nicht ohne Vermögen. Er wurde seiner Gegend von sehr großem Nutzen, und stets wandte man sich an ihn um Rat und Hilfe; so beliebt aber war er und so glücklich, daß die Leute nicht recht begreifen konnten, wie es zuging, und glaubten, bei ihm hätte jedes Tier zwei Köpfe.

Er aber sagte, daß er Königin Hildur für seinen ganzen Wohlstand zu danken habe.


Quelle: Åge Avenstrup, Elisabeth Treitel, Isländische Märchen und Volkssagen, Berlin 1919, S. 24
Was stört es eine alte Eiche - wenn sich eine wilde Sau dran scheuert