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Registrierungsdatum: 25. April 2008

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Beruf: Fischwirt und Bürokaufmann

Hobbys: Germanische Geschichte, Edda, Runen, Met trinken, Messer und Bogenbau

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Dienstag, 13. Mai 2008, 16:31

Sagen aus Island 2

Einmal, als sie mit ihrer Erzählung fertig war, sagte die Alte zu ihrer Schwiegertochter, daß sie jetzt etwas erzählen müsse. Die andere aber erwiderte, daß sie keine Sagen kenne; als die Alte jedoch weiter in sie drang, versprach sie schließlich, die einzige Sage, die sie kenne, zu erzählen, und sie begann folgendermaßen:

"Auf einem Hof lebte einmal ein Sätermädchen. Unweit des Säters lagen große Felsen, an denen sie oft vorbeiging. Darinnen wohnte ein schöner junger Huldremann, den sie bald kennen lernte, und es entstand Liebe zwischen den beiden. Er war so gut und lieb zu dem Mädchen, daß er ihr nie etwas abschlug und sich ihrem Willen stets in allem fügte. Das Ende vom Liede war, daß das Sätermädchen, als eine Zeit vergangen war, ein Kind erwartete. Als sie im nächsten Sommer nach dem Säter sollte, drang ihr Brotherr in sie, um zu erfahren, ob sie in gesegneten Umständen wäre; das aber bestritt sie und zog hinauf nach dem Säter, wie sie es zu tun pflegte. Ihr Herr bat aber diejenigen, die mit auf dem Säter waren, sie nie allein zu lassen, und das versprachen sie ihm. Trotzdem verließen sie sie einmal, um das Vieh zu suchen, und da fühlte sie Geburtswehen. Da kam ihr Liebhaber zu ihr, saß bei ihr und half ihr bei der Geburt, und darauf wusch und wickelte er das Kind. Ehe er aber mit dem Knaben fortging, ließ er sie aus einem Glas trinken, und das war der süßteste Trank, den ich je .... ." hier fiel ihr das Knäuel, mit dem sie strickte, aus der Hand; sie bückte sich danach und verbesserte sich - "den sie je gekostet hatte, wollte ich sagen, und da wurde sie gesund und frei von allen Folgen. Von da an sahen sich der Huldremann und das Mädchen nicht wieder; gegen ihren Willen wurde sie mit einem anderen Manne verheiratet; ihr Sinn aber stand immer nach ihrem ersten Liebsten, und von dieser Zeit an sah sie nie einen frohen Tag. Und jetzt ist die Erzählung aus."

Ihre Schwiegermutter dankte ihr für die Erzählung und bewahrte sie im Gedächtnis. So verging wieder eine Zeit, ohne daß etwas geschah; die Frau ging wie immer umher und trug ihren Kummer, immer jedoch war sie gut und liebevoll gegen ihren Gebieter.

Eines Sommers, als es schon weit in der Heuernte war, kamen zwei Männer, ein größerer und ein kleinerer, zu dem Bauern auf das Feld. Sie hatten beide breitkrempige Hüte auf dem Kopf, so daß man ihnen nur undeutlich ins Gesicht sehen konnte. Der größere nahm das Wort und bat den Bauern um Obdach für den Winter. Der Bauer antwortete, daß er niemand aufnehme, ohne daß seine Frau davon wisse, und sagte, daß er erst mit ihr über diese Angelegenheit sprechen wollte. Der Mann bat ihn, doch nicht so ungeschickt zu sprechen, als wenn ein so resoluter Mann derartig unter dem Pantoffel seiner Frau stände, daß er in solchen Kleinigkeiten wie die, zwei Menschen einen Winter lang in Kost zu nehmen, nicht selbst bestimmen dürfte. Das Ende war, daß der Bauer ihnen Winterobdach versprach, ohne daß er seine Frau erst darum befragt hatte.

Abends kamen die Fremden mit dem Bauern nach Hause; er ließ sie in eine Kammer eintreten und bat sie, dort zu bleiben. Dann ging er zu seiner Frau und erzählte ihr, wie die Dinge standen. Die Frau wurde darüber sehr unwillig und sagte, daß das ihre erste Bitte gewesen wäre und wahrscheinlich auch die letzte sein würde. Da er die Fremden nun aber allein aufgenommen hätte, müßte es auch seine Sache sein, was aus ihrem Aufenthalt im Winter folgte; und dann wurde nicht mehr über die Sache gesprochen.

Nun war alles ruhig, bis die Eheleute im Herbst zum Abendmahl gehen wollten. Es war damals Sitte, wie es heute noch in verschiedenen Gegenden auf Island der Fall ist, daß diejenigen, die zum Tische des Herrn wollen, zu allen Leuten auf dem Hof gehen, sie küssen und sie um Verzeihung für ihre Vergehen ihnen gegenüber bitten. Die Hausfrau war den Wintergästen bis zu diesem Tage ausgewichen und hatte sich nie vor ihnen sehen lassen, und auch diesmal ging sie nicht zu ihnen, um Abschied zu nehmen.

Die Eheleute gingen fort. Als sie aber außerhalb der Einzäunung des Heimackers waren, fragte der Bauer seine Frau: "Du hast doch unseren Wintergästen auch Lebewohl gesagt ?" Sie erwiderte: "Nein." Er bat sie, doch nicht so gottlos zu handeln, fortzugehen, ohne sich vorher von ihnen verabschiedet zu haben. "In den meisten Dingen zeigst du, daß du mich wenig achtest, erstens darin, daß du diese Männer empfangen hast, ohne mich danach zu fragen, und nun darin, daß du mich zwingen willst, sie zu küssen. Jedoch will ich dir gehorchen, aber du mußt selbst die Folgen auf dich nehmen; denn es gilt mein Leben und aller Wahrscheinlichkeit nach auch deins."

Sie kehrte nun nach Hause zurück, und weil es so lange dauerte, bis sie wiederkam, kehrte der Bauer auch um und ging dorthin, wo er seine Wintergäste zu finden erwartete, und fand sie auch in ihrer Kammer.

Da sah er, wie der größere Wintergast seine Frau umschlungen hatte und mit ihr auf dem Boden lag; und beider Herzen waren vor Gram gebrochen. Der andere Gast aber stand weinend neben ihnen, als der Bauer eintrat; gleich darauf verschwand er, ohne daß jemand wußte, wohin er gegangen war.

Alle aber wußten jetzt von dem, was die Frau ihrer Schwiegermutter erzählt hatte, daß der größere Fremde der Huldremann gewesen war, den sie auf dem Säter kennen gelernt hatte, daß der andere aber, der verschwunden war, ihr Sohn gewesen war.

1) Säter = Alm.


Quelle: Åge Avenstrup, Elisabeth Treitel, Isländische Märchen und Volkssagen, Berlin 1919, S. 16
Was stört es eine alte Eiche - wenn sich eine wilde Sau dran scheuert