Aber auch den zurückgelassenen Kolonisten liegt das Kapern im Blut. Als
sich am 5. September 1917 ein französischer Zweimast-Schoner ahnungslos
der kleinen Kolonie nähert, wird er von Leutnant Kling und seinen
Männern gekapert. Es ist die schon halb zum Wrack verkommene "Lutece".
Trotz des mangelhaften Zustands holen die Männer gleich am nächsten Tag
die Reichskriegsflagge auf der Insel ein und lassen die Gefangenen mit
Proviant für zwei Monate und einem kleinen Boot zurück. Sie stechen mit
dem maroden Segler in See und erreichen auf der vergeblichen Suche nach
ihrem Kapitän wie durch ein Wunder die Osterinseln. Nach einem
Ruheaufenthalt erreichen sie von dort aus schließlich das neutrale Chile.
Anders ergeht es dem Grafen mit seiner kleinen Schar. Als die offene,
sechs Meter lange "Kronprinzessin Cäcilie" erfolglos, ohne Wasser und
Proviant die eng-lischen Cookinseln erreicht, ergibt sich für den
Tausendsassa Luckner eine weite- re Möglichkeit, sein
schauspielerisches Talent zu beweisen. Er spielt den Engländern einen
"spleenigen" Holländer auf Abenteuerreise vor und erhält, obwohl er der
von den Engländern am meisten gesuchte Deutsche ist, das dringend
Benötigte. Die Odyssee führt die Männer in der Nußschale noch 25 Tage
über 2.500 Kilometer weit über die endlose See, bis sie mehr tot als
lebendig auf einer Fidschi-Insel landen. Eine seemännische
Meisterleistung. Dort, auf Wakaya, aber warten schon die Engländer auf
sie. Die kleine Crew wird gefangengenommen und nach Neuseeland in ein
Kriegsgefangenenlager gebracht. Der Kommandant des Lagers aber
unterschätzt seine prominenten Gefangenen sträflich. So entwenden der
einfallsreiche Kapitän und seine Leute kurzerhand das Boot des
Lagerkommandanten, das kleine Motorboot "Perle", und entkommen. Unter
dem Vorwand, ein Theaterstück über die Schlacht im Skagerrak aufführen
zu wollen, hatte die Mannschaft bei den Engländern die Zusammenstellung
von Requisiten erreicht. Hierzu gehörten auch eine auf ein Bettuch
gemalte Reichskriegsflagge und ein alter Säbel.
Mit diesen Gerätschaften ausgerüstet kapern die Seebären mit dem
kleinen Motorboot einen Schoner, die neuseeländische "Moa". "Die
deutsche Kriegsflagge wehte, ich stürzte mich mit geschwungenem Säbel
auf die ,Moa', meine Jungs kletterten über die Deckladung ... Alles war
wie vom Schlag gerührt. ,Don't kill us!' ... Die Leute blickten
entgeistert." So beschreibt der Autobiograph Luckner später die
Kaperung. Die Mannschaft und der Kapitän beruhigen sich schnell wieder
und fügen sich in ihr Schicksal. Doch die Freude der Freibeuter, wieder
unter dem Reichskriegsflaggen-Bettuch zu segeln, ist nur von kurzer
Dauer. Bei der Macaulyinsel werden die gerade wieder zum Flug
ansetzenden "Seeadler" von einem britischen Dampfer, der "Iris",
aufgebracht und auf den Kermadec-Inseln wieder festgesetzt. Die
Engländer hatten gelernt, jeder Flucht- versuch der Gefangenen
scheitert, und damit war der Versuch, sich mit den auf der
Cäcilieninsel Verbliebenen zu verbünden, ergebnislos.
Die Geschichte der kleinsten deutschen Kolonie, der Cäcilieninsel, und
des kleinsten deutschen Kriegskreuzers, der "Kronprinzessin Cäcilie",
nimmt hiermit ihr Ende. Die Geschichte einer einzigar- tigen Kaperfahrt
und des - nach Klaus Störtebeker wohl berühmtesten - letzten deutschen Piraten.
In den 20er Jahren macht Graf Luckner nochmal von sich reden. Mit einer
zweiten, aus Spendengeldern finanzierten "Seeadler" bereist er
Nordamerika und wirbt für das besiegte Deutschland. Hier legt er auch
den Grundstein zu seinem Ruhm als Telefonbuchzerreißer, indem er das
dicke Telefonbuch von Chicago vor seinem Puplikum zerfetzt. Er erlebt
sein Ende im Jahre 1966 hochgeehrt und mit 85 Lebensjahren hochbetagt in Malmö.
Doch seine Fahrt mit dem Hilfskreuzer "Seeadler" bleibt unvergessen.
Von 1927 bis 1942 führte ein Torpedoboot in der deutschen Marine den
Traditionsnamen "Seeadler" weiter. Die Bundesmarine knüpfte 1958 an die
Geschichte der "Seeadler" mit einem Schnellboot an, dem 1976 ein
Flugkörperschnellboot "Seeadler" folgte. Die von ihm handgemalte
Reichskriegsflagge, das letzte Relikt des großen Abenteuers, aber
bewahrte sein treuer Hausdiener auf. Als dieser 1996 starb, erwarb die
Hamburger Burschenschaft Germania diese ungewöhnliche
Hinterlassenschaft eines abenteuerlichen Lebens für ihr
"Graf-Luckner-Zimmer", wo sie bis heute bestaunt werden kann.
Die Männer brechen durch die englische Seeblockade die Flucht gelingt,
und die "Seeadler"rüsten wieder zum Flug Cäcilieninsel: Palmenhaine und
Traumstrände. Die ehemalige Kolonie lockt auch heute noch deutsche
Touristen an. Mischte auch eigenen Pfeifentaback: "Seeteufel" Felix Graf von Luckner.
Nachtrag
Neben anderen Personen ist es auch Luckners persönlichem Einsatz zu
verdanken, dass die Stadt Halle an der Saale bei ihrer Eroberung im
Zweiten Weltkrieg nicht zerstört wurde. Im April 1945 drohten die
Amerikaner mit massiver Bombardierung Halles für den Fall, dass sich
die Stadt nicht ergeben würde. In Begleitung des Majors a.D. Karl
Huhold gelang es Luckner, sich zur US-Armee durchzuschlagen. Nach
Vorsprache beim Kommandeur der „Timberwolves“, der amerikanischen
Einheit, die Halle erstürmen sollte, konnten beide den deutschen
Stadtkommandanten überzeugen, aus Halle abzuziehen. Dies geschah
entgegen einem ausdrücklichen Führerbefehl, die Stadt „bis zum Letzten“
zu verteidigen. Die deutschen Truppen zogen nach Süden ab und Halle
wurde zur offenen Stadt. Bereits startbereite alliierte Bomberverbände
blieben daraufhin am Boden. So konnten Huhold und Luckner durch
Verhandlungen die Zerstörung der Stadt verhindern. Luckner wurde dafür
nach dem Krieg zum Ehrenoberst der 104. US-Division „Timberwolves“
ernannt.
Als die amerikanischen Truppen später wieder abzogen und die Stadt an
die Rote Armee übergaben, ging Luckner in den Westen, wo er weiter
Vorträge hielt und Bücher veröffentlichte.
Graf von Luckner war berühmt dafür, bei seinen Auftritten Telefonbücher
mit bloßen Händen zu zerreißen und Münzen mit den Fingern zu zerdrücken.
Seine Memoiren erreichten in den USA Auflagen von mehreren Millionen.
Die Amerikaner verliehen dem schon vom Deutschen Reich hoch dekorierten
Deutschen über 100 Ehrentitel; unter anderem war er Ehrenbürger San Franciscos.
Graf von Luckner starb im April 1966 in Malmö, wo er mit seiner
schwedischen Frau Ingeborg Engeström gelebt hatte. Er wurde auf dem
Ohlsdorfer Friedhof in Hamburg beigesetzt.
Aufgrund seines abenteuerlichen Lebens (vgl. „Seeteufel“) war Luckner
Ehrenmitglied des Nerother Wandervogels. Des Weiteren ist er der
Namenspatron eines 1970 gegründeten Pfadfinderstammes aus Wuppertal aus
dem Deutschen Pfadfinderbund Mosaik.
Zum Anlass seines 125. Geburtstages wurde Luckner durch die Deutsche
Post mit der Herausgabe einer Sonderganzsache gewürdigt. In Halle a.d.
Saale und Kiel gab es zu diesem Anlass am 8. Juni 2006 Sonderstempel.
Am gleichen Tage veröffentlichte die Graf-Luckner-Gesellschaft eine limitierte Gedenkmedaille, die den Grafen zeigt.