Deutschlands Beruf
Soll’s denn ewig von Gewittern
Am umwölkten Himmel braun?
Soll denn stets der Boden zittern,
Drauf wir unsre Hütten baun?
Oder wollt ihr mit den Waffen
Endlich Rast und Frieden schaffen?
Dass die Welt nicht mehr, in Sorgen
Um ihr leicht erschüttert Glück,
Täglich bebe vor dem Morgen,
Gebt ihr ihren Kern zurück!
Macht Europas Herz gesunden,
Und das Heil ist euch gefunden.
Einen Hort geht aufzurichten,
Einen Hort im deutschen Land!
Sucht zum Lenken und zum Schlichten
Eine schwerterprobte Hand,
Die den güldnen Apfel halte
Und des Reichs in Treuen walte.
Sein gefürstet Banner trage
Jeder Stamm, wie er's erkor,
Aber über alles rage
Stolz entfaltet eins empor;
Hoch, im Schmuck der Eichenreiser,
Wall' es vor dem deutschen Kaiser!
Wenn die heil'ge Krone wieder
Einen hohen Scheitel schmückt,
Aus dem Haupt durch alle Glieder
Stark ein ein'ger Wille zückt:
Wird im Völkerrat vor allen
Deutscher Spruch aufs neu erschallen.
Dann nicht mehr zum Weltgesetze
Wird die Laun' am Seinestrom,
Dann vergeblich seine Netze
Wirft der Fischer aus in Rom,
Länger nicht mit seinen Horden
Schreckt uns der Koloss im Norden.
Macht und Freiheit, Recht und Sitte,
Klarer Geist und scharfer Hieb
Zügeln dann aus starker Mitte
Jeder Selbstsucht wilden Trieb,
Und es mag am deutschen Wesen
Einmal noch die Welt genesen.
Quelle: Karl Otto Conrady (Hrsg.) Das große deutsche Gedichtbuch. Athenäum Verlag 1978, 2. Auflage Königstein/Taunus