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Lynagh

Meister

  • »Lynagh« ist der Autor dieses Themas

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Samstag, 29. März 2008, 21:37

Die unglaubliche Eitelkeit

Die Frau, die gegenüber wohnte, Gyda, hatte nie genug. Sie sammelte alles, was ihr unter die Hände kam. Ihr Haus war wie ein großes Lagerhaus, voll der unterschiedlichsten Dinge. Man würde glauben, daß sie selbst nicht wusste, was sie alles besaß, aber da irrte man sich gewaltig. Denn sie wusste es! Sie lebte nach dem Spruch: „Nehme alles und gebe nichts!“ So verliefen viele Jahre und als sie einmal in ihren Spiegel schaute, bemerkte sie mit Schrecken und Bedauern, daß sie etwas verloren hatte obwohl sie es niemandem gab. Ihre Jugend war weg und davon. Da dachte sie an die Äpfel der Jugend. Sie war keine Zauberin und die magischen Bücher in ihrem Besitz sagten ihr nichts und obwohl sie sicher einige Gegenstände in ihrer Sammlung hatte, die Magie besaßen, war es leider nichts, was ihr die verlorengegangene Jugend zurück bringen könnte. Ihr trauriges Schicksal war es, daß sie unglaublich eitel war, denn in ihrer Jugend galt sie mal als eine ausgesprochene Schönheit. Man vergißt manchmal die Zeit und die Zeit nimmt und bringt nur das, was niemand will. Da sie nichts geben oder ausgeben wollte, begab sie sich zu Fuß auf die Suche nach ihrer verlorenen Jugend und wenn möglich wollte sie wenigstens einen Apfel der ewigen Jugend der Götter finden. Sie zog ihren schäbigen Mantel an und fing ihre Reise als Bettlerin an. Sie lief ganze Tage, bis ihr ihre Beine weh taten, sie bettelte sich karge Mahlzeiten zusammen. So kam sie eines Tages zu einem großen Wald. Es gab keinen Weg, der umher führte, es gab eigentlich auch keinen, der durch den Wald führte. Da sie aber dachte; der Wald hatte etwas Geheimnisvolles und Unheimliches an sich und eben auf solchen Plätzen könnte man besonderen Gegenständen oder Personen begegnen, überlegte sie nicht lange und ging, wo ihre Nase sie hinführte. So kam sie nach längerer Zeit auf eine Lichtung wo sie einer Gruppe hässlicher Frauen begegnete. Die Wilden Weiber aus dem Schwarzen Wald, welche die Seelen sammelten..„Wohin führt Euer Weg durch unseren Wald, wehrte Frau,“ riefen sie als sie die Lichtung betrat. Gyda trat zum Feuer, um das die Wilden Weiber saßen.„Ich suche meine Jugend, meine Schönheit und wenn möglich einen Apfel der ewigen Jugend,“ sprach Gyda. „Was Schönheit ist, wissen wir nicht,“ antworteten die Wilden Weiber, „Jugend hatten wir nie besessen, aber wo Iduna einen Apfel verloren hat wissen wir.“

„Ich bin nur eine arme Bettlerin,“ sagte Gyda, „ich besitze nichts, womit ich Euch bezahlen kann.“
- „Ihr gebt uns das, was Ihr nicht wißt, dass Ihr es habt“ riefen die Wilden Weiber im Chor. „Gut,“ antwortete Gyda, „ja ich gebe Euch das, was ich nicht weiß, dass ich es habe, damit bin ich einverstanden. Wann wollt ihr es haben?“ fragte sie und freute sich heimlich über den nichtigen Preis, weil sie wußte, was sie alles hatte, einschließlich der kleinsten Nadel, gebrochenen Töpfchen oder einem Strang nicht gesponnener Wolle. „Wann soll ich den Preis zahlen?“ fragte sie fröhlich. „Wenn ihr den Apfel findet, denn wer zahlt schon, bevor man die Ware hat.“ sagten die Wilden Weiber. „Und wo finde ich den Apfel?“ fragte Gyda. „Ihr braucht nicht weit zu suchen, denn wir haben den Apfel. Wir haben ihn gefunden, aber er ist uns zu nichts nutze, denn unsereiner kennt nicht die Schönheit oder Jugend und wir begehren auch nicht das ewige Leben,“ sagte die anscheinend älteste und hässlichste von ihnen und suchte in ihren Röcken nach ihrem Beutel.

Aus dem Beutel holte sie den goldenen Apfel der Iduna. Gyda nahm ihn und biss hinein. Sie biss nicht nur einmal, denn sie wollte ihre ganze Jugend und Schönheit zurück haben und wenn sie schon einmal den Apfel hatte, wollte sie nicht den Rest vergeuden. Sie biss darin und biss, sie aß ihn ganz auf, sogar das Kerngehäuse aß sie auf. Plötzlich fühlte sie, dass etwas geschah und bevor sie sich bewusst wurde was, stand sie da, ein kleines Mädchen umhüllt vom zu großen Mantel einer Bettlerin.

„Ich habe meine Jugend zurück und mehr als das! Die ewige Jugend wahrscheinlich und meine Kindzeit auch dazu!“ freute sie sich. Die Wilden Weiber lächelten. „Nun“ sagte das älteste und hässlichste Weib, „was denkt Ihr, wie viel Jahre habt Ihr jetzt noch zu leben?“- „Das weiß ich nicht,“ sagte Gyda, „Wahrscheinlich viele Jahre, wahrscheinlich sogar eine Ewigkeit, wer kann es schon wissen, was ein Apfel der Iduna bewirkt!“ - „Nun, wir aber wissen es, keine mehr, denn das ist, was ihr bekommen habt und Ihr wisst nicht wieviel und was genau!“ Mit diesen Worten nahmen sie ihre Seele und aßen den leblosen Körper auf zum Abendmahl.



© 2008 Lynagh
***NEC ASPERA TERRENT***


Nil admirari prope res est una, solaque quae possit facere et servare beatum
= sich über Nichts zu wundern ist wohl das Einzige, was einen glücklich machen kann und bleiben läßt
(Horatius)