Obwol Odin selten mehr lachte und Frigga oft weinte, wenn sie die Wolken webte in Fensalir, nahm das Leben der Asen seinen alltäglichen Lauf, wie vor dem Tod Balders. Der Schatten des Ragnaröks war näher gekommen und hing, beängstigend und düster über ihnen allen; jedoch die nächtlichen Feste in Walhalla waren noch immer so fröhlich wie früher und in Midgard werden Kriege angezettelt und geführt, die Walküren ritten zu immer mehr Kämpfen und die Streitkraft der Enheriaren, den Augewählen Helden, wurde immer grösser.
Balder und Höd befanden sich nicht mehr zwischen den Asen und obwohl Vali nun einer von ihnen war, war es noch einer der fehlte, der Loki. Nach Balders Tod wagte er es nicht mehr nach Asgrad zu kommen und obwohl noch nicht über Rache gesprochen war, wusste er dass sie unvermeidlich war. Odin war sicher nicht unwissend des Faktes, dass es seine Hand war die den schicksalhaften Zweig der Mistel zum Pfeil geschnitten und dass er Höds Hand geführt hatte. Ausserdem wussten die Asen auch, dass er es war, der in der Gestalt der Riesin Thökk geweigert hatte Balder mit seinen Tränen aus Helheim holen zu helfen. Aber als die Zeit weiter ging und es wurde nichts gegen ihn unternommen, langweilte sich Loki mit dem nur in Midgard die Unruhe und Unheil zu stiften und auch fühlte er sich irgendwie vernachlässigt und vergessen. Es schien als ob die Asen ihn ganz vergessen hatten und doch war er, Loki, ebenso mächtig als jeder von ihnen und er hatte etwas getan, was kein Wesen in allen neun Welten je zu tun dürfen wagte.
Als sich da auch das Erntefest näherte, begab sich Loki, obwohl er nicht die Frechheit hatte nach Asgard selbst zu gehen, in die Festhallen die auf einer Insel in Kattegat waren. Ausserdem wusste er wohl, dass sein alter Feind Heimdal ihm nie erlauben wird die Brücke Bifrost zu überqueren.
Auf der Insel waren alle Asen für das Fest zusammen gekommen, sowie sie es jetzt immer taten seit der Zeit als Thor den grossen Braukessel für Aegir besorgt hatte. Thor selbst, das wusste Loki sehr gut, war gerade in Jötunheim, wo die Riesen wieder unruhig wurden und Böses ausheckelten um den Göttern und Menschen zu schaden.
Bei der Saaltür begegnete Loki dem Eldir, der Koch bei Aegir war. „Sage mir Eldir“, fragte Loki, „worüber reden die Asen denn während ihrer Feste bei Aegir?“ „Sie sprechen über ihre Waffen und über Kriege,“ antwortete Eldir. „Jedoch niemand der Asen und Vanen hier hat es auch mit einem Wort über dich.“ „Dann gehe ich herein und setze mich dort zu ihnen,“ sagte Loki, „dann verschaffe ich ihnen bittere Kräuter für ihren Met und giftige Beilagen bei ihrem Essen.“ „Denke daran, wenn du übertreibst, und die Asen Verleumdungen oder Flüche von dir hören, werden sie es nicht hinnehmen,“ warnte ihn Eldir. Aber Loki antwortete geringschätzig: „Du redest zu viel, aber doch nicht so viel wie ich, denn ich habe immer das letzte Wort!“ Mit diesen Worten schob er Eldir zur Seite und tratt in den Saal ein.
Als Loki erschien, wurde es still und die Asen sahen ihren unwillkommenen Gast mit Verachtung und Abscheu an. „Ich komme hier durstig und hungrig nach einer langen Reise an,“ rief Loki frech, „und nicht einmal einer von euch Asen bietet mir etwas zum Trinken an, von eurem leckeren Met! Warum schweigt ihr da alle so mürrisch? Man sollte mir wenigstens einen Platz anbieten!“
„Nie mehr werden dich die Asen zu ihrem Tisch einladen,“ sagte Bragi, der gerne Frieden bewahren wollte. „Denn sie wissen alle nur zu gut, was du angerichtet hast – und was dafür deine Belohnung sein wird.“
„Erinnerst du dich noch an den Eid, Odin,“ rief Loki, sich zum Odin richtend. „In den allerfrühsten Zeiten haben wir unser Blut vermischt und du hast geschworen mir nie einen Getränk zu verweigern wenn du ein Becher voll Met zu deinen Lippen hebst.“ „Das ist wahr,“ bestätigte Odin ruhig. „Mein Sohn Vidar, rücke ein bißchen weiter, so dass der Vater von Fenrir dem Wolf sich hinsetzen kann. Nie wird jemand sagen, dass einer der Asen sein Wort und Eid gebrochen hat.“
Loki setzte sich und nahm einen kräftigen Schluck vom Met. Aber lange konnte er seine lasterhafte Zunge nicht im Zaum halten und der Haß und Eifersucht in seinem Herzen wurden so gross, dass er sich nicht mehr lange beherrschen konnte.
„Sei gegrüßt, mächtige Asen!“ rief er. „Ich grüße euch alle außer dem feigen, gemeinen Bragi, der mich von meinem rechtmässigen Platz zwischen euch verdrängen wollte!“
„Ich werde dir aus meinen Vorratskammern ein Pferd und ein Schwert geben, ja auch Ringe,“ sagte Bragi sanft, „wenn du bitte aufhörst die Asen zu beleidigen und den Frieden dieses Festes nicht weiter stören wirst.“
„Bragi, du Feigling,“ schrie Loki. „Noch nie hast du in einem Streit mitgemacht, noch nie dein Pferd oder dein Schwert benützt. Nein, du hast dich versteckt, für den Fall ein verirrter Pfeil könnte dich mal treffen!“
„Sei sicher, dass wenn wir draussen wären und nicht Gäste auf einem Fest, ich deinen abgeschlagenen Kopf bald in meinen Händen halten würde,“ sagte Bragi aufgebracht.
„Ich bitte dich, im Namen unserer Liebe, fordere Loki doch nicht heraus!“ flüsterte die schöne Iduna, mit einer Hand auf dem Arm ihres Gemahls und die andere Hand auf Lokis Schulter.
„Schweige, Iduna,“ sagte Loki. „Ich finde dich eine sehr ungeeignete Frau um mich, der deinen Bruder tötete, anzufassen.“
„Ich möchte bloß den Frieden bewahren,“ schluchzte Iduna, „denn ich will nicht, dass du und Bragi hier in Aegirs Hallen kämpft.“
„Du mußt etweder betrunken oder verrückt sein, um dich so aufzuführen Loki,“ sagte Odin. „Sage darum nichts mehr wenn du keine Friedensworte finden kannst.“
„Nein Odin! Du sollst dich schämen, dass du dich zwischen zwei Krieger so drängst!“ schrie Loki. „Jeder weiß dass du den Sieg im Streit oft den Feiglingen beschertest und Gungnir über den Köpfen von Männer geschwungen hattest, die tapferer waren als du selbst! Ausserdem bist du ein Feigling, denn auf der Insel Samsey hast du die Gestalt einer Hexe angenommen und dieselbe gemeine Streiche augeheckt wie sie.“
„Du solltest nicht über Dinge sprechen die stattfanden als die Welt noch jung war und du und Odin wie Brüder,“ sagte Königin Frigga schnell, noch mal versuchend den Frieden zu stiften.
„Halte deinen Mund Frigga, du Ehebrecherin,“ rief Loki, „wir alle wissen dass du die Geliebte von Vili und Ve gewesen bist, wenn ihr Bruder Odin nicht da war.“
Das war so albern so etwas zu sagen von Frigga, Göttin der Ehetreue, dass die Asen alle in schallendes Gelächter ausbrachen, obwohl Frigga rief: „Wenn mein Sohn Balder hier wäre, würdest du so etwas nicht sagen!“
„Balder wird nie mehr an deinem Festtisch sitzen,“ sagte Loki herausfordernd, „weil ich die Ursache seines Todes bin und dafür sorgte, dass er in Helheim bleiben muß!“
„Sei still du betrunkener Angeber!“ rief Freya böse, „du bist kein Mann, sondern nur halbe Frau!“
„Dreckige Hexe,“ rief Loki nach Atem ringend, denn Freyas Worte waren die grösste Beleidigung die im Norden vorhanden war. „Es gibt kein Ase, der nicht dein Liebhaber gewesen ist und ich weiß sehr wohl was du mit den Zwergen getan hast um Brisingamen in dein Besitz zu kriegen!“
Nun legten viele Asen die Hand auf ihre Schwerte, bereit um Loki anzugreifen aber Odin gab ihnen ein Zeichen also setzten sie sich wieder schweigend nieder.
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