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Hobbys: Germanische Geschichte, Edda, Runen, Met trinken, Messer und Bogenbau

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1

Dienstag, 29. April 2008, 17:46

Auszüge aus der Vinland Saga von Josef Nyary 1.

Auszüge aus der Vinland Saga von Josef Nyary






Wünsche viel Spaß beim lesen.



Wie der Mönch Tyrker Asgard schaute

Höher selbst als die sich drohend auftürmende Wetterwolke am Himmel,
weißer als frisch gefallener Schnee auf einem unbetretenen Gipfel,
glänzender als selbst das spiegelnde Eis der grönländischen
Inlandsgletscher und leuchtender als die gleißende Sommersonne ragte
die herrliche Götterburg aus einem grünenden Tal, das sich so weit wie
das Weltmeer erstreckte. Die Torflügel strahlten so hell wie zehn
Monde, die Zinnen der Zauberburg blinkten wie tausend Sterne und auf
den Wällen lag ein Schein wie von zehntausend feurigen Flammen. Soviel
Helligkeit ging von dem Göttersitz aus, dass Tyrker das Gesicht
abwenden musste und ihm Tränen zwischen den Lidern hervorquollen. Erst
nach einer ganzen Weile vermochte er sich an das blendende Licht zu
gewöhnen, das selbst aus dieser Ferne noch wie Messerstiche in den
Augen schmerzte.

»Was ist das?« keuchte der Mönch. »Nie zuvor sah ich Ähnliches! Dort,
dieser Regenbogen fast scheint es, als würde er mitten in diesem Glanz
geboren!<‘

>>Das ist Bifröst, die Brücke der Götter erklärte Thorhall
bewegt. »Keinem Sterblichen ist es vergönnt, sie zu betreten. Siehst du
das lodernde Feuer inmitten des Bogens? Es hält die Berg- und
Reifriesen ab, den Himmel zu stürmen. Jene Halle dort vorn aber, die an
dem Steig steht, heißt Himmelsburg und ist Heimdalls weitschauende
Warte. Hundert Meilen weit sieht dieser Wächter. Er braucht weniger
Schlaf als ein Vogel und hört die Wolle auf den Schafen wachsen. Wenn
das Weltende naht, bläst der Gott das Gellhorn, das du für die Posaune
eines deiner Engel hieltst!«

Offenen Mundes starrte der Mönch auf das himmlische Glanzgebilde,
dessen Umrisse seine Augen nur allmählich zu enträtseln vermochten.
“Und dort?» fragte er. »Was soll das sein, das wie ein Kiel geformt
ist?

“Das ist das Dach Noatuns der Schiffsstätte«, sagte der schwarze Hüne
ehrfürchtig. »Njörd, der Ase der Meere, wohnt dort, der auch dem Wind
und dem Feuer gebietet und frommen Fischern ergiebige Fänge beschert!«

Tyrker fuhr sich mit der Zunge über die trockenen Lippen. »Wer aber
wohnt in dem Wald darunter?“ wollte er wissen. »Diese Bäume scheinen
mir höher zu wachsen als alle anderen auf der Welt!«

>>So ist es auch», erwiderte der Waidmann mit Stolz, »denn es
sind Ulls rotstämmige Eiben. Nach ihnen heißt dieser Ort Ydalir. Aus
ihrem Holz schnitzt der Jagdgott die Bogen und Speere. Viele Opfer
brachte ich ihm und hoffe ihm nach meinem Tode in seinem Eibental zu
besuchen»

»Und neben Ydalir?« fragte der Mönch als nächstes und fuhr sich mit der
Hand über die steile Stirn. »Dort funkelt es, als wäre der Boden ganz
mit Edelsteinen bedeckt!«

»Kleinodbank heißt dieses Haus». erläuterte Thorhall, erfreut über
Tyrkers Staunen. »Saga hält dort Hof, Odins Tochter, die täglich mit
ihrem Vater aus goldenen Bechern trinkt. Die Taten der Helden bewahrt
sie und soll dereinst auch von meinen erzählen!«

Staunend rollte der Mönch die vorstehenden Augen. »Dort dieses Dach !« rief er. »Ist es mit Silber gedeckt?

»Glastheim heißt diese Halle<<, belehrte der Hüne ihn, »Forseti
wohnt dort, Baldurs Sohn, der die Gerechtigkeit hütet. Frieden,
Eintracht und Versöhnlichkeit herrschen in seinem schimmernden Haus,
doch nur für den, der selbst das Rechte tut und keine Angst hat, dem
Unrecht mit eigener Hand zu wehren!«

«Noch heller strahlt der Bau darüber». sprach Tyrker ungläubig. »Gold bedeckt ihn bis zum Giebel!«

«Das ist Breitglanz, Baldurs heiliges Heim«, schilderte Thorhall, »die
Stätte der Reinheit, der schönste aller Paläste. Niemals tat Odins Sohn
Unrecht! Dennoch muß er nun in finsterer Unterwelt hausen, Opfer des
tückischen Loki, der Göttern und Menschen verhaßt ist!« Der Mönch hob
wieder die Hand vor die Augen und kniff die Lider zusammen. «Dort steht
ein Schloss in einem Garten, das scheint mir noch um vieles größer«,
sagte er voller Verwunderung, »nicht einmal die Pfalzen des Kaisers
besitzen solche Maße!«

«Dort überschüttet Freya die Gäste, die zu ihr kommen, mit allen
Freuden der Welt«, erwiderte Thorhall ergriffen. »Sessrumner, der
Vielsitzige, heißt ihr Saal, in dem sie die Frauen der Helden zum
Dienst der Liebe um sich versammelt.«

<Welche Pracht!« entfuhr es dem Mönch. «Welche Fülle! Auch auf der
anderen Seite Gold und Juwelen glitzern dort, als sei dieses Haus aus
den Kronen von Kaisern errichtet!«

«Das ist Friggs Feensaal“‘ lachte der Waidmann, ‘»die Falkengewandete
herrscht dort, Odins Gemahlin, die Mutter der Götter und Könige aller
Asen. Das Gold verwaltet sie und schafft den Überfluss. Zwei weiße
Luchse ziehen ihren Wagen, wenn sie nach Midgard hinabeilt,
unglücklichen oder bedrängten Menschen zu helfen.«

»Wem aber ist dieses Haus zu eigen dessen Dach sich dort wölbt wie ein
Schild?« fragte der kleine Mann und beschattete sich die Stirn. »Es
gleißt, als läge dort ein Spiegel, groß wie ein Kornfeld, unter der
strahlenden Mittagssonne!«

«Dort erhebt sich Thors hohe Halle«, antwortete der schwarze Hüne
ehrfürchtig. «Bilskirnir, Spiegelschild, nennen wir sie. Thors
Wohnstatt selbst aber ist, wie du wohl weißt, Thrudheim, Starkheim,
geheißen, weil es den Tapfersten aller Asen beherbergt. Höher als er
steht nur 0din selbst.«

«0din«, flüsterte Tyrker tonlos und hob den Blick. Ein greller Lichtschein erhellte sein zuckendes Antlitz.

«Ja«, sprach der Waidmann, «dort oben wohnt der Walvater, hoch über
allen anderen Asen. Walaskjalf heißt seine Halle, Hlidskjalf aber sein
Hochsitz, von dem aus er über die ganze Welt blicken kann. Auch uns
sieht er. Darum will ich dich nun fragen: >>Bist du bereit, dem
Knechtsgott abzuschwören und den Asen treue Gefolgschaft zu schwören?
Wenn du das tust, will ich dich am Leben lassen. Bedenke, welches Glück
dich erwartet! Einstmals zum Fraß für Hels Hunde bestimmt, wirst du
dann mit Göttern trinken, hochgeehrt von den tapfersten Helden und von
den edelsten Frauen begehrt! Mägde werden dir aufwarten, jede so schön,
daß du hundert Jahre brauchst um nur den Reiz einer einzigen ganz
auszukosten. Gold, Silber und die kostbarsten Edelsteine werden deine
Truhen füllen, auf deinem Tisch wird der beste Braten nicht kalt und
niemals schwindet der funkelnde Wein aus deinem Becher - was willst du
mehr? Gestehe endlich ein, daß die Asen des Nordens mächtiger sind als
der Götze des Südens. Speie mit mir auf den feigen Knechtsgott, der
dich ja doch nicht mehr retten kann, wenn er es überhaupt will!«

Da stieß ihn Tyrker von sich und rief: «Weiche von mir, du Sohn des
Satans! So versuchte Dein Vater einst unseren Herrn zu verleiten, als
er ihn auf einen Berg führte und ihm dort alle Reiche der Welt zeigte.
Schwach bin ich, ja und nur ein Mensch – dennoch will ich lieber
sterben als meinen Gott Verleugnen; du Teufelszauberer, schlimmer
Verführer und Diener des Bösen! Ha! Kehre zurück in deinen stinkenden
Pfuhl, du Höllengeschöpf – mich wirst du nicht verderben!<<

Der schwarze Hüne sah ihn höhnisch an. Dann sprach er: >> Noch
sind wir nicht am Ziel unserer Reise und wenn du Asgards Pracht auch
widerstandst, so will ich nun doch sehen, ob du auch Heilheims
Schrecken zu trotzen vermagst.<<

Zu den Trutzburgen der Riesen

Mit diesen Worten wandte er sein Pferd, trieb es talwärts und zog die
anderen Tiere mit straffer Hand hinter sich her. Während sie über die
steilen Felsen hinunterstiegen, sammelten sich wieder Wolken am Himmel
und bald war die herrliche Götterburg ihren Blicken entrückt. Der Wind
wehte immer stärker und wirbelte schwarzen Sand auf.

Unter überhängenden Felsen verbrachten die beiden Männer und ihre Tiere
eine unruhige Nacht. Am Morgen lag eine dünne Eisschicht auf dem
pechfarbenen Boden. Um die Mittagsstunde begann es zu schneien. Da
kamen Thorhall und Tyrker an einen Fluß voll kohlschwarzen Wassers.
Verwundert starrte der Mönch auf die Wellen, denn sie bewegten sich
nicht, sondern schienen zu Stein erstarrt.

>>Wer hat diesen Strom verhext?<< fragte Tyrker klopfenden
Herzens. >>Hausen hier Magier, der gleichen Wunderkraft mächtig,
die einst den Fluten des Jordan zu stehen befahl? Aber das kann doch
nicht sein!<< Schaudernd sah er, daß die Schneeflocken auf der
Oberfläche nicht liegen blieben, sondern verschwanden, als ob es sich
wirklich um Wasser handelte. Rauch kräuselte sich über den schwarzen
Wogen.

>>Das ist der Fluss, der die Gefilde der Götter von denen der
Riesen und Zwerge trennt<<, antwortete der Waidmann. >>So
sagte Odin in seinem Wissensstreit mit dem weisen Thursen Wafthrudnir,
dem Steller verwickelter Fragen:

>>Ifing der Strom heißt,

Der wider den Riesen

Das Land der Götter begrenzt.

Offen dahineilen

Soll er in Ewigkeit.

Niemals engt Eis ihn ein.<<

Vorsichtig ritten sie über das schwarzglänzende Gewirr ineinander
verschlungener Wellen, die sich wie steinerne Knäule kampflustiger
Nattern, Ottern und Vipern unter den Hufen der Pferde
dahinschlängelten. Dampf quoll aus dem steinernen Strom und Tyrker
spürte eine Hitze, als ob der Boden aus niemals erkaltender Asche
bestünde. Da wurde es dem Mönch noch unheimlicher zumute. Thorhall aber
lächelte grimmig und rief ihm zu:>> Asgard liegt hinter uns.
Wappne dich nun, die Schrecken der Schattenwelt zu schauen, für die du
dich in deinem Trotz entschiedst!<<
Was stört es eine alte Eiche - wenn sich eine wilde Sau dran scheuert

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2

Dienstag, 29. April 2008, 17:51

Auszüge aus der Vinland Saga von Josef Nyary 2.

Der Hüne lenkte sein Pferd auf einem schmalen, gewundenen Pfad am Rand
des Schwarzschlangenstroms an immer seltsameren Steingebilden entlang.
Nebelfetzen flossen zwischen den Füßen der furchteinflössenden
Felsriesen umher wie schwarzes Blut unter den Stiefeln eisengepanzerter
Krieger auf einem nächtlichen Schlachtfeld. Die Pferde sanken bis zum
Hufbart in lose Schlacke und ein schneidender Wind trieb den Kohlensand
in dunklen Wolken davon. Immer dichter schlossen sich die Reihen der
Schreckensgestalten. Aufsässig stemmten sie mit ihren klobigen Fäusten
Schilde aus Felsplatten gegen den Himmel, als ob sie darauf gefasst
wären, dass von dort nun gleich Thors Blitze herabfahren würden.
Drohend schwangen sie zugleich ihre gewaltigen Streithämmer. Es war,
als wogte das Heer der Thursen von allen Seiten zum Kampf mit den
Göttern heran. Wenn Tyrker die schwarzen Unheilsgestalten aber fest
anblickte, standen sie wie starr und leblos, so wie die Dunkelalben,
wenn sie ein Sonnenstrahl trifft.

Meile um Meile folgte der Waidmann den Wellenbergen dieser
versteinerten Sintflut. Immer wieder mussten sie um tiefe Spalten,
Schluchten und Klüfte reiten. Oft wichen sie riesigen Mahlströmen aus,
die in trügerischer Trägheit vor ihnen lagen, umgeben von vielen
zehntausend zerborstenen und zersplitterten Blöcken, die Zeugnis von
der zerstörenden Kraft der entsetzlichen Wirbel ablegten.

Einige Stunden später bog Thorhall vom Ufer des Stroms in das Innere
des gespenstischen Landes. Je weiter sie in diese wüste Welt
vordrangen, desto tiefer senkten sich nun Gewitterwolken herab, bis
ihre Säume die Gipfel der Berge berührten. Dort ragten nun die
Trutzburgen der Riesen empor, mächtige Felsenschlösser mit zahllosen
Zinnen, sternenhohen Türmen, bewehrt mit Erkern und Pechnasen,
Vorwerken und überdachten Gängen, eng an die steilsten Felswände
geschmiegt, steingewordener Ausdruck irdischer Aufsässigkeit gegen den
himmlischen Zorn. Mauer und Wälle, vielfach schon durch Wettergeschosse
durchbohrt, trotzten den göttlichen Waffen noch immer in steinerner
Standhaftigkeit, die sich nicht um Sieg noch Niederlage schert. Kein
Kraut, nicht ein einziger Halm wuchs auf diesem Kampfplatz der Riesen.

Rasch ritten beide Männer durch die gedrängten Reihen der Thursen, da
rollte schon aus der ferne Thors Donnerwagen herbei. Schwarzes Gewölk
schob sich gegen die Gipfel. Dann zuckten Blitze herab. Krachend fuhr
der Krafthammer auf die Schilde der Riesen nieder. Steintrümmer
regneten herab und große Felsbrocken rollten rumpelnd ins Tal. Schnell
trieb der Waidmann die Pferde unter eine überhängende Felswand.
Regengüsse rauschten zur Erde, füllten die flachen Mulden und sammelten
sich zu einem reißenden Strom, der wütend die schmale Schlucht
durchtoste und alles mit sich riß, was sich auf seinem Weg befand.
Schauerlich klang das Getöse des Streits wie in dem alten Lied, da es
heißt: >>Felsen krachten, Klüfte heulten, die alte Erde fuhr
ächzend zusammen.<<

Da sagte Tyrker, elend vor Kälte, Nässe und Schwäche: >>Ich kann
nicht mehr weiter. Töte mich hier, du Ungeheuer! Schlimmer kann es
nicht sein, selbst wenn du an mir den Blutaar vollziehst!<<

>>Du irrst, wenn Du meinst, dass du jetzt schon die Neige der
Schrecken kostest<<, antwortete der schwarze Hüne mit grausam
blitzenden Augen, >>denn in Wahrheit hast du erst genippt am
übervollen Kelch deiner Qualen.<<

Das Unwetter tobte die ganze Nacht und ließ an Heftigkeit nicht nach,
bis der Morgen graute. Dann brach die Wolkendecke auf und Allglanz, der
Heilschein des Himmels, schleuderte wärmende Strahlen in die schwarze
Schlucht. Blausträhnige Bäche stürzten von den Flanken der Berge,
prallten weißgischtend in steinerne Kufen und flossen milchfarben
davon.

Immer häufiger öffneten sich große Höhlen, in denen die gesammelten
Wasser der weinenden Wolken versanken. Ein Brodeln und Zischen scholl
dort aus der Tiefe herauf. Bald kam ein Hämmern und Klopfen hinzu, ein
Pochen und Schlagen und dazu ein Fauchen wie aus tausend Blasebälgen.

>>Wohin schleppst du mich jetzt, du Sohn des Antichrist?<<
fragte der Mönch; er war bleich wie der Tod. >>Ist es das, was du
die Pforte der Unterwelt nennst?<<

>>Wir reiten durch Schwarzalbenheim<<, gab der
dunkelgesichtige Hüne zur Antwort. >>Dort in der Finsternis
tagferner Grotten hausen die zauberkundigen Zwerge, der
Schrumpfhäutige, der Leichenblasse, der Totengesichtige und wie sie
noch alle heißen. Kein Sonnenstrahl dringt in ihre Wohnungen; hörst Du
wie ihre Essen zischen, ihre Schmiedehämmer zuschlagen? Unschätzbare
Kostbarkeiten warten auf den, der sich in ihre Werkstätten
wagt.<< Er deutete in eine Höhle. Die steilen Wände strahlten so
hell, als seien sie mit Gold und Silber verkleidet, und große Klumpen
edler Metalle lagen in Fülle auf ihrem Boden umher.

Immer tiefer schnitten die Schluchten nun in die Erde. In die größte
lenkte der Waidman die Pferde. Vorsichtig tasteten sich die Tiere über
die steilen Stufen einer gewaltigen Felstreppe hinab. Grau und schwarz
glänzten die feuchten Steinwände. Überall reckten Dornbüsche drohend
die spitzen Stacheln. Zwischen ihren Zweigen leuchtete es wie
gebleichte Knochen hervor. Ein modriger Hauch wehte den Männern
entgegen und ein fernes Brausen drang an ihre Ohren. Immer lauter
dröhnte das geheimnisvolle Rauschen, und als sie um eine Felszacke
bogen, zog Tyrker erschrocken sein Pferd so straff an den Zügeln, dass
es sich aufbäumte und den Mönch fast aus dem Sattel geschleudert hätte.


>>Ja, Pfäfflein !<< rief Thorhall spöttisch. >>Reiße
die Augen nur auf, staune und zage! Denn diese Brücke führt in die
Heimstatt der Toten, in der die Neidinge hausen und alle Ehrlosen, für
die im luftigen Walhall kein Platz ist. Sieh dir den Gjöllfluß gut an!
Noch in dieser Stunde sollst du ihn überqueren und danach nie wieder in
die Lichtwelt zurückkehren!<<

Im Reich der Totengöttin

Aus schreckgeweiteten Augen blickte Tyrker auf den grausigen
Unterweltfluss. Brüllend schleuderte der böse Strom seinen stinkenden
Schaum durch die schmutzigen Felsen. Übelriechende Nebel wallten empor.
Wo der Sprühregen der fäulniserregenden Wasser die Wand benetzte,
bildeten sich pechfarbene Blasen, blähten sich auf und zerplatzten mit
scheußlichem Schmatzen. Über den stürzenden Höllenbrei führte in
schwindelerregender Höhe ein Steg, der aus der Tiefe so schmal
erschien, als könne kein Vogel darauf sitzen. Gleichwohl trat Thorhall
mit festem Schritt auf die Gjöllbrücke zu. Einige Felsbrocken lösten
sich unter den Stiefeln des Hünen und stürzten hinab in den schaurigen
Schleim, wo sie zischend versanken.

>>Nein<< flüsterte Tyrker mit grau verfärbtem Gesicht.
>> Nicht dort hinüber, du Teufelsknecht! Tue mit mir was du
willst – es wird mich nicht stärker schrecken als dieser Auswurf des
Satans!<<

Der Waidmann stieß ein höhnisches Lachen aus; grausig schallte es von
den Felswänden wider. >>Armseliger Wicht<<, spottete der
schwarze Hüne dann. >>Schon vor dem geringsten Schrecken der
Unterwelt verlässt dich der Mut? Warte, was dir noch begegnet, ehe du
endlich zu Hel hinabfährst, wie ich es dir schon vor langem
gelobte!<<

Er wickelte Stoffbinden um die Augen der scheuenden Hengste und führte
sie dann der Reihe nach über den Steg. Dann packte er den zitternden
Mönch, warf ihn sich über die Schulter und trug ihn ans andere Ufer.

Schritt für Schritt suchten sich die Pferde dort einen Weg durch die
düstere Schlucht des Helweges. Grünbemoostes Geröll bedeckte den Boden.
Kein Vogel sang, keine Biene brummte, nicht einmal eine Mücke summte in
dieser riesigen Aschenfurche. Ein eisiger Luftstrom floss zwischen den
schrägen Wänden entlang. Dann klafften zur Linken die Kiefer einer
gewaltigen Grotte. Farne wehten von einem Dach, das höher als selbst
die Giebel von Nidaros ragte. Vor dem Eingang wölbte sich ein
Felsbuckel; auf seinem Rücken trug er die starren Züge einer uralten
Frau.

>>Hel?<< flüsterte Tyrker entsetzt.

>>Das ist das Grab der Großen Seherin<<, antwortete der
Waidmann, >>der uralten Wölwa. Einstmals von Odin geweckt,
weissagte sie dem Walvater Baldurs Tod.<<

Schaudernd starrte der Mönch in das grause Gesicht. In der Finsternis
der Wölwahöhle schienen Schlangen umherzukriechen und auf dem Grund
wallte Tang. Dann hüllten Nebel die Grotte ein. Auch den Boden der
Schlucht bedeckten die schwebenden Schwaden und ein dumpfes Grollen
drang aus der Rinde der Erde herauf.
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3

Dienstag, 29. April 2008, 17:59

Auszüge aus der Vinland Saga von Josef Nyary 3.

>>Nun<<, sagte Thorhall, >>will ich auch den letzten
Teil meines Versprechens erfüllen und dir die Halle Hels zeigen, wo du
fortan für alle Zeiten wohnen sollst.<<

Wie als Antwort tönte nun ein herzzerreißendes Schluchzen durch die
schwefeldampfenden Berge, ein Heulen, Jammern und Klagen, Wimmern und
Winseln, dass Tyrker Tränen in die Augen traten. Es klang, als würden
viele tausend verzweifelte Menschen auf die entsetzlichste Weise
gequält und gefoltert von Teufeln, die weder Mitleid noch sonst eine
menschliche Regung empfanden. So grausig klang das Geheul der
Gepeinigten, dass der Mönch die Hände auf die Ohren preßte.
>>Nein!<< schrie er durch das Tosen der Totenstimmen. Im
nächsten Augenblick zog Thorhall Tyrkers Pferd hinter sich um eine
Biegung, und voller Entsetzen erkannte der Mönch, dass er nun endlich
am Höllentor stand.

Zwischen gelblichen Schwefelfeldern öffnete sich ein riesiges Loch,
kreisrund geformt wie der Rand eines Kelches, doch tausendmal größer.
So weit dehnte sich dieser Abgrund, dass das jenseitige Ende im Nebel
verschwand. Feuerflüsse, rot wie Blut, quollen aus gähnender Tiefe
hervor und strömten lodernd über die riesigen Kanten der grausigen
Grube, so wie geschmolzenes Erz aus einer Esse rinnt. Knisternd und
knackend bahnte die wandernde Glut sich den Weg durch die rußschwarzen
Felsen. Die Hitze der Lohe nahm Tyrker den Atem. Immer wieder fuhren
Feuerstöße aus dem schaurigen Schlund. Haushohe Flammen schlugen zum
Himmel, glühende Felsbrocken prallten gegen die wunden Wände der
Bergriesen ringsum. Starr vor Schrecken schaute der Mönch auf den
feuerspeienden Abgrund und konnte den Blick nicht abwenden. Da sagte
Thorhall: >>Nun Pfäfflein? Graust es dich recht? Ja, es ist ein
Unterschied, ob man nur mit dem Mund die Hitze der Christenhölle
beschreibt oder die Schrecken Hels mit eigenen Augen erkennt!<<

>>Christus, errette mich!<< rief Tyrker in höchster Not.
>>Lasse mich nicht in diese Hölle stürzen, Herr, ich bitte
Dich!<<

Der schwarze Hüne lachte voller schrecklicher Freude. Dann ergriff er
den kleinen Mann am Genick und schob ihn vor sich her bis an den
äußersten Rand der Feuergrube. Riesige Erdfunken sprühten über ihre
Köpfe hinweg und schweflige Dämpfe beizten ihre Kehlen und Lungen.

>>Sieh dir deine künftige Heimstatt gut an, Pfäfflein<<,
sprach der Waidmann. >>Gleich wirst du in Feuer baden, dich mit
Asche trocknen und auf scharfe Splitter betten! Mit stinkendem Schwefel
wird Hel dich speisen, mit flüssigem Eisen tränken, ehe sie dir das
Mark aus dem Bein und das Hirn aus dem Kopf saugt, bis nur eine
nutzlose Hülle zurückbleibt. Das ist es, was dich jetzt erwartet, du
Hund von einem Knechtsgottsanbeter!<<

>>Jesus<<, betete der kleine Mann und schlug die Hände vor
das aschfahle Gesicht. >>Lasse es nicht geschehen, ich bitte
dich! Rette mich, ich flehe dich an!<<

Höhnisch blickte der Waidmann auf sein Opfer herab. Dann hielt er wie
lauschend die Linke ans Ohr. >>Ich kann deinen Gott nicht
hören<<, spottete er. >>Kann es sein, dass er gerade ein
Nickerchen hält? Schwöre ihm endlich ab, da du doch sehen musst, dass
er dich nicht zu retten vermag! Wenn du dich aber den Asen zuwendest,
werde ich dich verschonen.<<

Da nahm Tyrker all seinen Mut zusammen und rief: >>Auch an diesem
Ort wirst du mich nicht zum Abfall von Gott verleiten, du Teufel! Denn
lieber stürze ich in diesen Schlund, als dass ich meine unsterbliche
Seele verliere! Wäre mein Tod in dieser Höllenglut doch nichts weiter
als die verdiente Strafe für meine Sünden, die Trunksucht und Unzucht,
die ich nun vor meinem Schöpfer offen bekenne!<< Er hob die Hände
zum Himmel und fuhr mit lauter Stimme fort: >>Ja, ich habe
gefehlt Herr. Viele Male verstieß ich gegen deine Gebote, denn mein
Fleisch ist schwach.<<

>>Ich hörte schon davon<<, lachte Thorhall, >>Krähenbeerwein und willige Mägde...<<

>>Nicht nur Mägde<<, gestand der Mönch. >>Auch mit
verheirateten Frauen ließ ich mich ein ...Freydis...<<

>>Hund!<< rief Thorhall in höchster Erregung.

>>Sei verflucht!<< sagte der Mönch. >>Ich werde sterben, du aber wirst schlimmer leiden als ich.<<

Ein Zittern lief über den Körper des Waidmanns, Blut trübte seinen
Blick und ein schauriger, langgezogener Schrei drang zwischen seinen
verzerrten Lippen hervor. Mit beiden Händen hob er Tyrker hoch über den
Kopf. >>Hel!<< hallte aus seinem Mund. >>Hier kommt
dein Opfer!<< Dann schleuderte er den Mönch in den brodelnden
Abgrund hinab.

Tyrker stieß einen schrillen Schrei aus. Mit dumpfem Poltern prallte
der Mönch gegen Felsen, ehe er in den wabernden Nebeln verschwand. Aus
der Erdentiefe schwoll ihm ein schreckliches Zischen entgegen.
Was stört es eine alte Eiche - wenn sich eine wilde Sau dran scheuert