Dort auf dem Hlidskjalf saß Odin und sah wie die Riesen Böses ausheckten, dort hinter den hohen Bergen in Jötunheim, an der anderen Seite des Flusses Ifing, der einzige Fluß der nie gefror. Er schaute über Midgard und sah wie die Menschen auf ihren Feldern arbeiteten, kaum denkend an Kriege und Siege und er wußte, dass da etwas an getan werden mußte und das ziemlich schnell, sollte er mit der Hilfe der Heldenkrieger rechnen können, falls der Tag des letzten Großen Streits anbrach. Darum rief er seinen Sohn Heimdal zu sich, den weißen Gott, der auf geheimnisvolle Weise in den frühesten Zeiten geboren wurde und neun Mütter hatte, Nymphen aus den äußersten Enden der Welt. Seine Zähne waren aus reinem Gold und er konnte in der Nacht ebenso gut sehen wie am Tag. Ja, seine Augen sahen so scharf, dass er Dinge sah in hundert Kilometern Entfernung; sein Gehör war so fein, dass er Gras in der Erde wachsen hörte und die Wolle auf dem Rücken der Schafe. Odin hatte Heimdal zum Wächter der Götter ernannt und er wohnte am Rande Asgards bei der Bifrost-Brücke mit dem grossen Gjallahorn neben sich, das er blasen mußte, sollten die Riesen Asgard angreifen. Dieses Horn kann man in alle Welten hören. „Heimdal, mein Sohn, gehe nach Midgard, in willkürllicher Vermummung. Menge dich zwischen die Menschen, die dort wohnen; es ist ein gutes, einfaches Volk, aber noch nicht ganz so wie ich es wünsche. Wähle unter ihnen die Besten aus und sorge dafür, dass durch die Zauberkraft, die du besitzt, drei Sorten Menschen entstehen, so dass von jetzt ab bis in die ans Ende der Zeiten Menschen mit den Gaben geboren werden, die sie am Besten in ihrem Leben brauchen, so dass sie die Dinge, für die sie geboren wurden, auch einwandfrei verrichten können, und nicht allerlei Dinge nur halbwegs gut. Lass sie kommen: Arbeiter, Schöpfer und Anführer in ausreichender Menge, die ein jeder seine Rolle erfüllt, so dass eine mächtige Rasse entsteht, aus der ich die Helden Midgards, die uns bei Ragnarök beistehen, wählen kann.“
Da nahm Heimdal die Gestalt eines stämmigen Reisenden an, ging über die Bifrost-Brücke nach Midgard, wo er fröhlich über die grünen Pfade der Wälder und Felder wanderte, bis er am Abend zu einem Haus kam. Die Tür stand einen Spalt breit offen und er trat ein. In der Feuerstelle brannte ein Feuer und darüber hing ein Kochtopf. An den beiden Seiten saßen der Hausherr und die Haufrau, der Landsmann Ai und seine Frau Edda in ihrem Mantel aus grobem, selbstgewebtem Stoff. „Sei willkommen, Fremder,“ sagten sie, „sage uns wie du heißt und tue und fühle dich wie zuhause.“ „Ich bin Rig, der Vagabund!“ antwortete Heimdal und er setzte sich mitten zwischen seinen Gastherrn und seine Gastfrau. Da brach Edda das schwarze, dicke, selbstgebackene Brot, das sie immer zum Abendessen hatten und gab es dem Gast, zusammen mit der Suppe aus dem Topf. Als es dunkel wurde, machte sich es Rig der Vagabund tatsächlich so bequem wie zuhause, denn er legte sich mitten ins Bett, wo er am Wärmsten und Weichsten lag, während Edda und Ai an den Außenseiten Platz nehmen mußten. Drei Nächte blieb der fremde Gast; danach verfolgte er seinen Weg mit einem Lächeln auf den Lippen. Jedoch neun Monate später kriegten Ai und Edda einen Sohn der Thrall genannt wurde. Er gedeihte und wurde ein starker, kräftiger Mann mit harten Händen und dicken Fingern, einem breiten Rücken, großen Füßen und einem angenehmen aber nicht hübschen Gesicht. Er heiratete ein Mädchen, das über die Heide zugelaufen kam, barfuß und mit braungebrannten Armen und sie kriegten Kinder, die das Land bearbeiteten, Zäune bauten, Schweine züchteten und Ziegen hielten und Torf stachen für das Feuer. Ihre Söhne kriegten Namen wie Arbeiter, Diener oder Knecht und ihre Töchter hiessen Putzfrau, Arbeiterin oder Maid.
Inzwischen verfolgte Rig der Vagabund seinen Weg durch Midgard und am nächsten Abend kam er zu einem anderen Haus. Die Tür war nicht geschlossen und Rig trat frech ein. Er sah ein Feuer im Kamin brennen und ein Mann und eine Frau saßen davor und arbeiteten. Sie hießen Gaffer und Gammar, sahen sehr nett aus und waren gut gekleidet; er mit geradegeschnittenen Haaren und Bart, sie in einem sauberen Kleid mit einem hellen Halstuch. „Sei wilkommen, Fremder,“ sagten sie, „sage uns wie du heißt und tue und fühle dich wie zuhause.“ „Ich bin Rig der Vagabund,“ antwortete Rig und setzte sich mitten zwischen seinen Gastherrn und seine Gastfrau. Da tat Gammar das Abendessen auf; das enthielt eine leckere Suppe mit danach gekochtem Rindfleisch. Dann brachten sie ihn zu dem einzigen Bett und Rig der Vagabund machte es sich tatsächlich so bequem wie zuhause, denn er legte sich mitten ins Bett, auf beiden Seiten sein Gastherr und die Gastfrau, um ihn warm zu halten. Drei Nächte blieb Rig der Vagabund bei Gaffer und Gammal. Dann verfolgte er seinen Weg mit einem Lächeln auf den Lippen. Jedoch neun Monate später bekamen Gaffer und Gammar einen Sohn. Dieser wurde Karl, der Handwerksmann genannt und er entwickelte sich zu einem kräftigen, fröhlichen Mann mit roten Wangen. Er konnte gut mit Ochsen umgehen, die er vor den Pflug spannte, er baute Häuser, schmiedete Karren und Pflüge. Nach einiger Zeit heiratete er und zusammen mit seiner Frau bearbeiteten sie ihr Land, webten eigenes Leinen und sparten fleißig ihr Geld. Sie lebten glücklich und ihre Söhne kriegen Namen wie Bauer, Landmann, Schmied oder Weber während ihre Töchter Hausmutter, Spinnerin, Näherin oder Köchin hießen.
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