"Oh, Hantaoma, Euer Äußeres mißfällt uns nicht, Ihr seid ein hübscher junger Krieger. Es tut mir so leid, daß mein Freund gefangen genommen ist. Ja, ich habe schon gehört, daß sich dunkle Horden tief im Süden rühren. Mit einem falschen Prophet ziehen Räuberbanden durch das südliche Land und morden, schänden und plündern. Traurige Nachrichten, in der Tat."
Lynagh seufzte, die Welt änderte sich nicht zum Besseren. Der Neubeginn des Ragnaröks schien umsonst. Auch die Elbe schaute traurig vor sich hin und schwieg lange Zeit. Jeder der Drei dachte seine Gedanken und sie schienen keine Fröhlichen zu sein. Olaf erschien mit einem riesigen Schweinebraten, ein Zeichen, dass er den Neuangekommenen mochte.
"Ich hoffe, dass Gunlödd heute nach oben kommt, sie sollte die neuen Nachrichten hören", sagte Lynagh. Der Süden ist weit, weit weg, aber die Menschen kommen in Bewegung und wer weiß wen wir hier noch alles erwarten können. Vielleicht sollten wir die Unsichtbare Barriere wieder in Gang setzen."
Der Krieger Hantaoma und Kriemhilde die Elbe schauten überrascht und neugierig, aber das beeinflußte nicht ihren Appetit, denn beide schienen ausgehungert zu sein und Olafs Küche war wie ein Märchen für die Zunge.
"Ja," sagte Lynagh, "es gibt eine Barriere, Nebel und Schnee sind ein Teil davon und einige Thursen und Jöten helfen dabei. Sie geniessen es, wenn sie etwas zustande bringen können, das jemandem anderen schaden kann. Sie sind ziemlich dumm, aber sie sind auch Götter, denn sie sind die dunkle Seite der Göttlichkeit."
Lynagh wurde unterbrochen, denn Olaf erschien mit einem Tablett mit Met und Honigkuchen, der dazu immer gut schmeckte. Er war frisch gebacken, aber er backte ihn nicht selbst. Es war Nifl, die ihn backte. Lynagh wußte, daß da eine Meerjungfrau war, die er sehr liebte und die ihn liebte und die oft erschien, unten auf den Felsen, wo der Maelström wütete. Sie saß dort in Schaum gehüllt und kämmte ihr Haar. So sah eines Tages Olaf die Nifl (bedeutet: Nebel) und es passieren manchmal noch merkwürdigere Dinge als eine Liebe zwischen einem kräftigen jungen Wirt und einer zierlichen Meerschönheit. Die Liebe geht ebenso natürlich dort, wo sie verlangt und ersehnt wird, so wie das Wasser in tiefere Stellen fließt. Sie sang für ihn Lieder und spielte ihre Harfe, er erzählte ihr von der Welt, von der er eigentlich selbst nicht viel wußte, aber er hatte Reisende in seiner Taverne und Reisende, wie es schon so üblich ist, sprachen gerne von ihren Reisen und fremden Gegenden. Da Nifl neugierig war, wie es so auf dem Land ist, brachte sie Olaf eines Abends in die Taverne; er trug sie in seinen Armen, da sie keine Beine hatte, nur eine wunderschön glitzernde, elegante Fischflosse und als sie in der Wanne in Olafs Küche saß, schien es eher so, als ob sie einen langen seidenen Rock anhatte. Aus dem einen Abend wurden zwei, dann drei und schließlich wurde es zur Gewohnheit, dass sie an vielen Abenden kam und Olaf Gesellschaft leistete. So vergingen Jahre, denn die Zeit steht nie still; und schliesslich waren da drei Meerjungfrauen und ein Meerfaun, die Olaf und Nifl ihre Eltern nannten. So führten Olaf und Nifl eine ganz besondere Ehe, sie halb an Land und halb im Meer, er hatte seine Geliebte von Sonnenuntergang bis der erste Hahn krähte. Denn wenn eine Meerjungfrau am Tage am Land blieb, starb sie. Wenn Lynagh alleine oder mit der Walküre, der Dame Gunlödd, in der Taverne war, brachte Olaf Nifl immer in die Gelagekammer, denn er hatte für sie einen Rollstuhl angefertigt. Heute jedoch, da zwei Unbekannte da waren, erschien Nifl nicht. Meerjungfrauen vertrauen nicht blind einem Menschen und Elben kannte sie überhaupt nicht.
Olaf schenkte ein und gegen seine Gewohnheit nahm er einen Stuhl und setzte sich zu der Gesellschaft. Denn etwas hing in der Luft und ein Fremder aus den südlichen Ländern war hier im Nordland eine Seltenheit. Er wußte, daß Nifl in Sicherheit ist, denn die Windhunde Vali und Caya liebten Nifl und würden sie immer beschützen und er, Olaf, war nicht weit. Drei Sprünge von der Küchentür. Und da war auch die Elbe und Elben sah man gegenwärtig noch seltener. Sie lebten in ihren Wohnstätten, die geheim waren und wo ein Mensch selten hinkam. Denn wenn man die Elben gegen ihren Willen fand, war man nicht sicher, ob man wieder zurückkehrte. Das war allgemein bekannt, also suchte niemand mehr nach ihnen, man glaubte sogar, daß sie nicht existierten.
"Wie kommt es eigentlich, dass bei Euch alles Gold ist und das Grün verschwand?" fragte er die Elbe. Olaf benutzte nicht ihren Namen, Kriemhilde, denn er war überzeugt, daß in dem Namen ein Zauber versteckt worden war und auch zurückwirkte, wenn man ihn aussprach, man weiß ja nie. Wenn man jemanden mit dem wahren Namen nennt, kommt man der Person näher und wenn man näher an jemand kommt hat man Einfluß. Im guten Sinne wenn man befreundet ist, gefährlich wird es, wenn man verfeindet ist. Olaf vertraute nur seiner Nifl, wahrscheinlich weil sie kein Mensch war und auch Lynagh sprach er nur mit Lady oder Herrin an. Eigentlich hieß Olaf gar nicht Olaf sondern Gunnbjörn. Aber das wußte nur Lynagh. Lynagh wußte auch die Namen seiner Töchter: Freydis, Thjodhild und Gudrid und den Namen des Sohnes: Bjarni. Immer wenn man ihn mit Olaf ansprach war ihm bewußt, wieviel Menschen seinen Namen als Wirt benutzen und kennen. Da war er noch froh, dass er Olaf genannt wurde, obwohl er sich auch da nicht so sicher war. Es war ja nicht sein wahrer Name. Und nicht jedem Menschen oder Wesen war zu vertrauen. Da war die Geschichte mit dem Magier Ofeig aus Midfjördur und der Besuch des Bischofs Olau Magnus, dem er auch nicht ganz vertraute. Denn er wußte aus den Gesprächen der Wachen des Bischofs, dass man dort unten in südlichen Ländern, wo die fremde Religion alles übernahm, sowohl Magier und Zauberinnen als auch weise Frauen lebend verbrannte und an Natur und die Götter des Nordens nicht glaubte. Nicht einmal die alten Gesetze des Nordens waren da heilig. In den drei Tagen des Bischofsbesuches wagte Nifl es nicht an Land zu kommen, nein, sie kam auch nicht am Abend zu ihrem Felsen. Und das war nur gut, dachte Olaf.