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Montag, 8. Dezember 2008, 22:41

Die Geschichte vom Hirtentäschel

Auszug aus "Die alte Kräuterfrau"

Die Kinder saßen um den Ofen herum, dessen Feuerluke weit offen stand und das Geknister des Holzes eine märchenhafte Spannung verbreitete. Sie hörten der Alten zu, die von dem armen Hirten erzählte, der mit den Schafen des Dorfes über die Wiesen zog. In dieser Zeit bekam er immer genügend Brot, frisches Wasser aus den Bächen und ein wenig Käse. Aber im Winter sah es oftmals sehr karg in seinen Taschen aus. Oft war der einzige Inhalt seine Flöte, auf der er spielte, wenn es im Dorf etwas zu feiern gab. Auch in diesem Winter war ein großes Fest und er spielte den ganzen Tag und bis spät in die Nacht. Am Ende gingen alle fröhlich nach Hause und vergaßen, den armen Hirten zu entlohnen. Er darbte so sehr, daß ihm der Magen knurrte.

Ein Wanderbursche, der durch dieses Dorf kam, dachte sich, der Hirte hat die ganze Nacht gespielt und allen viel Freude gemacht, der müßte ja was zu essen haben. Aber wie enttäuscht war er, als der arme Hirte auch nur leere Taschen hatte. Er zog beschämt die Flöte aus der Tasche und ließ den Wanderburschen hineinschauen. Auch er erblickte weiter nichts als ein einziges klitzekleines Samenkörnchen, was im Sommer von den Wiesen hier hineingelangt war. Der Hirte nahm es heraus, es sah aus wie ein Herzchen. Ja, meinte er, wenn es nur ein klein wenig größer wäre, dann könnten wir vielleicht davon satt werden. Er spaltete mit zarten Fingern, die nur ein guter Flötenspieler haben kann und siehe da – jede Hälfte des Körnchens wuchs. Es wuchs so lange, bis sich jeder an seiner Hälfte sattgegessen hatte. Danach fügten sie die äußeren Splissen wieder zusammen und das Samenkorn nahm seine Urgestalt wieder an.

Die beiden konnten vor Staunen kein Wort sprechen. Der Wanderbursche fragte, woher wußtest Du, daß man den weißen Inhalt essen kann? Der Hirte antwortete, daß er den Schafen zugeschaut habe und öfter mal probierte, was sie da naschten. Gerade dieses Körnchen habe ich schon öfter mal gepflückt, es ist nur sehr mühselig und zum Sattwerden hat es nur heute gereicht. Ich war ja auch noch nie so arm und hungrig wie in dieser Nacht. Und wie heißt denn das Kräutlein, woran das Körnchen reif geworden ist, fragte der Wanderbursche weiter. Das weiß ich leider nicht, sagte beschämt der Hirte. Na gut, sagte der Wanderbursche. Wir geben dem Körnchen einen Namen. Wir fanden es in Deiner Tasche und Du bist Hirte. Also heißt es ab heute Hirtentasche. Bist Du einverstanden? Nicht ganz, meinte der flötenspielende Hirte, es ist doch so winzig, nennen wir es doch lieber Hirtentäschel. Gut so? Er warte die Antwort nicht mehr ab und spielte ein Liedchen.

Die Kinder fragten sofort, ob es das Kräutlein Hirtentäschel heute noch gibt. O ja, meinte die gute alte Kräuterfrau, im Sommer, wenn ich wieder gehen kann, ziehen wir über die Wiesen und ich zeige es Euch.

Gefunden bei: www.der-fahrradladen.com/geschichten/kraeuter.pdf


"Kein größerer Schaden kann einer Nation zugefügt werden, als wenn man ihr den Nationalcharakter, die Eigenheit ihres Geistes und ihrer Sprache raubt."
- J. G. Herder -

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