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Ernst Moritz Arndt - Geist der Zeit
Auszug - Zweiter Theil (Zweite veränderte Auflage – 1813)
[...] Und ihr Teutschen, geliebte Landsleute und Brüder, bei deren Erinnerung mein Herz oft in Stolz sich erhob, jetzt in Wehmuth versinkt, zu euch spreche ich ein ernstes und letztes Wort, das Testament meines brechenden Herzens, die letzte Stimme einer unendlichen Liebe. Der Hohn der Sieger, die Verachtung der Fremden, der Vorwurf der Feigheit und Nichtswürdigkeit, die Anklage der tiefsten Ehrlosigkeit, selbst eurer eignen Männer und Schriftsteller Verdammung, die ich so oft mit Verzweiflung vernehmen muß, zerreißen mir das wunde Herz. Ihr seid nicht mehr die Alten, nicht mehr die Gewaltigen, auch euch hat die allmächtige Zeit zum Nichtigen abgeschliffen; aber ihr seid eben so stark, eben so gut, eben so tapfer, als eure Tadler und Verhöhner.
Nur Eintracht mangelt euch, nur ein großes Männerherz fehlt euch, das euch aus der Noth emporheben, begeistern, und zu unsterblichen Mühen für das zerfleischte Vaterland führen konnte. Daß kein gemeinschaftliches Gefühl, keine tiefe Liebe für das Vaterland, kein Verein der Stärke und Begeisterung unter euch ist; daß ihr eure eignen Brüder in Schlachten mordetet; daß ihr nach Indien und Afrika verkauft wurdet, daran waret ihr unschuldig. Aber die Zeit ist inne, wo ihr begreifen lernen müsset, was ihr waret, was ihr nicht mehr seyn dürft, und was ihr künftig seyn sollt. Ist euer Ohr taub für die warnende Stimme dieser Zeit, für das Jammergeschrei eures zerrissenen Vaterlandes, für die Klage der Freiheit, welche Sklaverei fürchtet, so verachte ich euch auf das tiefste und werde mich selbst und eure Sprache und die Stelle, wo ich gebohren bin, zu vergessen suchen.
Unglückliche teutsche Brüder, so tief liegt ihr darnieder, weil ihr derer mangelt, die für euch stehen, für euch sprechen, für euch sterben sollten. Verwirrung, Bethörung und Ermattung hat alles ergriffen und hemmt den frischen Athem und den lebendigen Gang der Welt. Am schlimmsten aber verblenden und verderben euch eure Meister und Propheten. Ich frage euch, dürfen Schreiber sprechen und Ausrufer rufen, welche keine Ehre und kein Vaterland haben? welche die Welt und ihre Geschichte nicht kennen? welche sich und euch mit hohlen Ideen und mit einer Zukunft trösten, wo eure Enkel euch verfluchen werden, wenn ihr sie hört? welche auf einen Bund der ganzen Menschheit auch in Einem Staate hinweisen, während, der Menschen herrlichste Herrlichkeit, Freiheit und Selbstherrschaft, untergehen? Und wer sind denn die, welche den großen Verein der ganzen Menschheit vollenden, welche durch so viel Elend und Blut die feste Glückseligkeit und den ewigen Frieden der Welt bringen, welche die letzte Barbarei und Unhuld von der weiten Erde vertilgen wollen? Wer sind diese bonapartischen Soldaten, diese unüberwindlichen und göttlichen Menschen, die künftig eure Führer und Gebieter seyn und euch das Thierfell der Wildheit abziehen sollen?
[…]
Aber, teutsches Volk, wie soll dein Leid Einklang werden von der Ostsee bis zur Adria, von dem Rhein bis zur Weichsel? Wie soll dir Eine Stimme werden dessen, was alle leiden und fühlen? Du bist ohne Führer, ohne Fürsprecher und Dolmetscher, und die tausend Herzen, die bluten, die tausendmaltausend Arme, die zugreifen mögten, mangeln der Gemeinschaft.
[…]
Ein Wille, Eine Begeisterung; jede Stimme, die klingen konnte, klang, jede Faust, die schlagen konnte, schlug; die Fremden mußten fliehen, und das Land war gerettet. Euch steht es jetzt zu, dem Volke zu helfen; euch steht es zu, den Namen T e u t s c h e r zu Einem großen Gefühl zu machen, ihn jedem Teutschen unverletzlich zu machen, wie der Mutter Leib, der ihn trug, des Vaters Ehre, der ihn zeugte, des Bruders Liebe, der mit ihm dieselben Brüste sog. Euch steht es zu, das Volk auf sich selbst, auf seine Ehre, seinen Muth, seine Zahl, seine Arme hinzuweisen, und alle ihre Gefühle und Gedanken gegen die Franzosen zu entflammen. O Sonne, die diese Gräuel sieht, o Herrlichkeit meines Volkes, o Ehre des Landes, das mich gebahr, o Schmuck der alten freien teutschen Eichen, die meine Kinderlocken umsäuselten — ein Rächer erstehe aus dieser Schande! Liebe, allgemeine Liebe gegen uns selbst, ewiger Haß gegen die listigen Fremden erwachse! und wir sind erlöst und unsere Kinder sind Freie.
[…]
Teutsches Volk! der schlaue Verderber will euch auch durch die Religion entzweien; dahin spielt und winkt er. O seid wach, und laßt es ihm nicht gelingen. Für der Vater Thorheit und Wahnsinn ist genug gebüßt in früheren, Tagen, durch herrliche Opfer, durch lange Kriege, durch Millionen Leichen, durch verwüstete Städte und Gefilde. Laßt euch nicht verführen, laßt nicht neu werden, was längst vergessen und veraltet ist. Bedenkt, daß wir alle Christen, daß wir alle Teutsche, daß wir Söhne der Germanen sind, die am Rhein und an der Donau, am Pontus und am Nordmeer die Schmach der Welt an den Römern rächten.
Ein Volk zu seyn, Ein Gefühl zu haben für Eine Sache, mit dem blutigen Schwerdt der Rache zusammenzulaufen, das ist die Religion unserer Zeit: durch diesen Glauben müßt ihr einträchtig und stark seyn, durch diesen den Teufel und die Hölle überwinden. Laßt alle die kleinen Religionen, und thut die große Pflicht der einzig höchsten, und hoch über dem Pabst und Luther vereinigt euch in ihr zu Einem Glauben.
Das ist die höchste Religion, zu siegen oder zu sterben für Gerechtigkeit und Wahrheit, zu siegen oder zu sterben für die heilige Sache der Menschheit', die durch alle Tyrannei in Lastern und Schanden untergeht; das ist die höchste Religion, das Vaterland lieber zu haben, als Herren und Fürsten, als Väter und Mütter, als Weiber und Kinder; das ist die höchste Religion, seinen Enkeln einen ehrlichen Namen, ein freies Land, einen stolzen Sinn zu hinterlassen; das ist die höchste Religion, mit dem theuersten Blute zu bewahren, was durch das theuerste, freieste Blut der Väter erworben ward. Dieses heilige Kreuz der Welterlösung, diese ewige Religion der Gemeinschaft und Herrlichkeit, die auch Christus gepredigt hat, macht zu eurem Baner, und nach der Rache und Befreiung bringt unter grünen Eichen auf dem Altar des Vaterlandes dem schützenden Gotte die fröhlichen Opfer.
[...]
Geist der Zeit 1-5 unter Goggle-Bücher als PDF verfügbar.
Anmerkung:
2009 wurden an der Ernst-Moritz-Arndt-Universität 1400 Unterschriften für eine Umbenennung der Universität gesammelt - Grund dafür waren seine "antisemitischen" Äußerungen, welche im Grundsatz allerdings lediglich Aufrufe zur Stärkung und Einheit der deutschen Nation sind.
Vom 11. bis 15. Januar 2010 fand schließlich eine Urabstimmung statt, in der 49,9 Prozent (1.398 Stimmen) der abstimmenden Greifswalder Studenten gegen eine Änderung des Namens der "Ernst-Moritz-Arndt-Universität" stimmten, 42 Prozent (1.217 Stimmen) sprachen sich für eine Umbenennung in "Universität Greifswald" aus. Am 17. März 2010 wurde der Streit um die Umbenennung durch den Senat beendet - 22 von 36 Senatoren stimmten für die Beibehaltung des Namens "Ernst-Moritz-Arndt-Universität".
"Kein größerer Schaden kann einer Nation zugefügt werden, als wenn man ihr den Nationalcharakter, die Eigenheit ihres Geistes und ihrer Sprache raubt."
- J. G. Herder -