Jedoch erschrak er als er sah, dass Thor allein zwei ganze Ochsen verspeiste, so dass für den Rest der Gesellschaft nur einer übrig blieb. „Morgen müssen wir ein großes Fest veranstalten,“ brummte er zu sich selbst, „anders laufen wir alle hungring herum, während Thor wohl einen vollen Magen hat.“ Darum stand Hymir am nächsten Morgen früh auf und begab sich zum Meeresstrand, wo er ein Boot liegen hatte, da er einige Walfische für das Frühstück fangen wollte und auch für den Fall, dass seine Gäste noch mehr Ochsen verspeisten. Am Seestrand schloß sich Thor ihm an und sagte: „Lass mich mit dir aufs Meer rudern, denn ich würde es gerne einmal wagen wollen, eines der Seemonster zu fangen.“
„Du wirst mir zu nichts nütze sein,“ sagte Hymir geringschätzig, „denn du bist zu klein und du wirst dich auch noch totfrieren, wenn du so lange draußen am offenen Meer bleibst wie ich.“ - „O ja?“ rief Thor, ärgerlich über die Beleidigung. „Es könnte aber sein, dass du der Erste bist, der zurückkehren will.“ - „Also los, dann komm mit mir, wenn du willst.“, brummte Hymir, „ jedoch besorgst du dir deinen eigenen Köder.“ - „Das ist nicht so schwierig!“ rief Thor. Er sprang über die Mauer zu Hymirs Weide, fing den größten, wildesten und riesigsten Ochsen, Himmelbrüller hieß er, und schlug ihm mit einem Faustschag den Kopf ab. Als der Riese es sah, brummte er etwas in seinen Bart, denn er war erschrocken von Thors Kraft, obwohl er sich das nicht eingestehen wollte.
Danach stiegen sie in das Boot und Thor setzte sich hinten hin und ruderte so schnell, dass Hymir je länger es dauerte umso unruhiger wurde. Schon bald erreichten sie die Fischbank, wo Hymir gewöhnlich den Anker auswarf und immer fischte. „Hier bleiben wir,“ sagte er, „denn diese ist die beste Stelle und nicht so weit vom Ufer entfernt.“ „O nein,“ sagte Thor und ruderte, dass sich die Ruder bogen. „Hier schwimmen nur kleine Fische! Monster sind nur im tiefen Gewässer!“ Hymir fühlte sich, je länger es dauerte, mehr und mehr unwohl und rief schließlich: „Jetzt ist es Zeit zurückzurudern, denn hier sind wir über den Tiefen, wo die Midgardschlange liegt.“ Da lachte Thor grimmig und zog die Ruder ins Boot. Dann nahm er ein starkes Tau mit einem enormen Haken und den Kopf des Stieres als Köder. Währenddessen fing Hymir Walfische, manchmal zwei auf einmal, die er ins Boot warf.
„So, es ist genug.“, rief er. „Lass uns jetzt zurückrudern, bevor es gefährlich wird.“ Aber kaum hatte er es ausgesprochen, da schnappte die Midgardschlange nach dem Stierenkopf und der Haken blieb in ihrem Kiefer stecken. Als sie bemerkte, dass sie gefangen war, schwomm sie mit so einer wüsten Geschwindigkeit, dass Thors Hände, die das Tau hielten, gegen die Wände des Bootes schlugen. Mit einem wütenden Gebrüll pflanzte sich Thor im Boot fest und wohl so kräftig, dass das Boot zitterte, trotzdem zog er langsam, ruhig und sicher seinen enormen Fang zu sich. Das Wasser rundum wütete, zischte und wirbelte und rundum das Tau entstand ein mächtiger Mahlstrom. Als der Kopf von Jormungand sich zeigte, schrie Hymir voller Angst, denn jeder, der einmal den schrecklichen Kopf der Midgardschlange sah, konnte nie in seinem Leben noch vor etwas Angst haben. Als Thor das Monster zum Boot zog und im Begriff war, mit seinem Hammer zuzuschlagen, begann die Erde zu zittern und der schreckliche Schrei vom Jormungand hallte über die Wasserflächen bis weit zu den eisigen Ebenen im Norden. Hymir wurde bleich, sein Gesicht grau und seine Knie knickten ein.
In demselben Augenblick als Thor seinen Hammer Mjölnir hob um zuzuschlagen, stürzte sich Hymir nach vorne und durchschnitt das Tau mit seinem Messer und die Midgardschlange verschwand wieder unter Wasser. Mit einem wütenden Gebrüll warf Thor den Hammer Jormungand hinterher und schlug Hymir mit der Faust, so dass er ins Wasser fiel. Nachdem der Hammer nur eine oberflächliche Wunde auf dem Kopf der Schlange verursachte, kehrte er umgehend in Thors Hand zurück, während Hymir schnell wieder ins Boot kletterte, wo er sich mürrisch hinsetzte, ohne ein Wort zu sagen, während Thor zurückruderte. Als sie wieder landeten, stieg Hymir aus dem Boot und knurrte: „Ich bitte dich, wenigstens behilflich zu sein; ob du die Walfische nach Hause trägst oder das Boot für mich aufs Trockene ziehst.“ - „Sehr gerne,“ antwortete Thor, seine Wut schon längst verflogen und er nahm das Boot. Komplett mit der Fracht der Walfische, setzte es sich auf den Kopf und lief den steilen Pfad hinauf, der zu Hymirs Schloss führte. Sie setzten sich zum Frühstück und bald waren alle Walfische verschwunden, hauptsächlich durch den Schlund des ausgehungerten Thor.
Aber noch immer wollte der starrköpfige Hymir nicht zugeben, dass Thor stärker war als er und darum wollte er ihm noch eine Prüfung auflegen. „Natürlich ruderst du unübertroffen,“ sagte er. „Ausserdem bist du ein ausgezeichneter Fischerman und kannst gut ein Boot tragen. Aber darum nenne ich dich noch nicht stark! Denn ich glaube nicht, dass du mit all deiner Kraft meinen Trinkbecher brechen kannst, denn für so eine Kleinigkeit braucht man wirklich Riesenkraft.“ Thor nahm den Becher des Riesen und warf ihn gegen eine Steinsäule, so kräftig, dass er durch die Säule flog und auf die hintere Mauer prallte.... Aber Hymir hob ihn wieder auf und gab ihm Thor und der merkte, dass der Becher nicht einmal einen Riß zeigte.Immer wieder probierte es Thor; er warf ihn mit so einer Kraft, dass er durch Säulen und Mauern flog. Und jedesmal wenn er ihn aufhob hatte er nicht mal einen Riß.
Als er ihn zuletzt werfen wollte, näherte sich die schöne Riesin, die Tyrs Mutter war, unauffällig und flüsterte schnell: „Werfe ihn gegen Hymirs Kopf, der ist härter als der Becher.!“ Thor tat wie sie es ihm sagte und mit einem enormen Wurf flog der Becher nach Hymirs Kopf. Der Becher viel in Stücken auf den Boden, aber auf Hymirs Kopf zeigte sich nicht mal eine kleine Schramme. Aber der alte Riese klagte laut über das Brechen seines geliebten Bechers. „So viele gute Dinge muß ich missen!“, säufzte er. „Jetzt werde ich nie mehr aus diesem Becher trinken können der da in Stücken auf dem Boden liegt.... Nun, Thor der Riesentöter und Tyr mein Enkelsohn haben gewonnen. Dort steht mein grosser Braukessel: Hebe ihn auf und nimm ihn mit.“
Tyr fasste den Kessel als erste, aber wie er auch sein Bestes tat, kriegte ihn nicht mal in Bewegung. Dann fasste ihn Thor am Rand und schwengte ihn so kräftig, dass seine Füsse durch den Steinflur des Saals kamen. Er setzte ihn auf seinen Kopf wie ein Helm und trat siegreich nach draussen wobei der grosse Haken und die Ketten des Kessels hinter ihm an rasselten. Sie folgten dem Weg entlang des Elivagarflusses, aber schon bald hörten sie einen Tumult hinter sich. Sie drehten sich um und sahen eine ganze Truppe vielköpfigen Riesen die mit Keulen schwenkten und brüllten, dass sie mit den diebischen Asen, die nach Jotungheim kamen, noch abrechnen wollen.
© 2007 Lynagh