Herkunft:
Valeriana vermutlich von dem lateinischen
valere=gesund, kräftig, wert sein; angelehnt an den Namen des nordischen Lichtgottes Baldur; einer anderen Deutung nach soll es sich aus der römischen Provinz Valeria zwischen Donau und Drau herleiten.
Europa und den klimatisch gemäßigten Zonen Asiens
Volksname:
Augenwurz, Arznei-Baldrian, Bullerjahn, Bollerjahn, Bolderjan, Balderjan (plattdeutsch), Baltes, Buldrijan (Leipzig), Boldrian (Zürich), Dammarge (Graubünden), Dreifuß, Echter Baldrian, Elfenkraut, Gebräuchlicher Baldrian, Großer Baldrian, Katzenkraut, Katzengeil, -wadel (Elsaß), risch tamar (Heinzenberg, Engadin), Marienwurzel, Mondwurz, Ollerjan, Pollerjahn (Eifel),Tammarg, Theriakkraut (Allheilmittel), Viehkraut, Wendwurzel
Pflanzenfamilie:
Der Baldriangewächse (Valerianaceae) mit etwa 250 Arten
Verwendete Pflanzenteile:
Blüten und Wurzel (
Valerianae radix), bestehend aus Wurzeln, Wurzelstock und unterirdischen Ausläufern
Sammelzeit:
Blüten: Juli/August; Wurzel: August/Oktober
Inhaltsstoffe:
ätherisches Öl, Alkaloide (Chatinin und Valerin), Gerbsäure, Traubenzucker, Vitamin B1, Vitamin B2, Vitamin PP (Niacin/ Nicotinsäure - Energiegewinnung, Herstellung verschiedener Gewebe und der Erbsubstanz, Senkung der Blutfette,Verbesserung der Merk- und Konzentrationsfähigkeit ), Zink, Zinn, Zucker u.a.
Heilwirkung:
Der Geruch der Baldrian-Pflanze erinnert an Kampfer und das ätherische Öl allein setzt sich aus ca. 100 Einzelsubstanzen zusammen, die in Art und Anteil der Bestandteile stark, je nach Herkunft variieren. Heute zählt die Baldrianwurzel zu den am besten erforschten pflanzlichen Heilmitteln.
Pfarrer Kneipp schreibt zur Wirkung des Baldrians: "Alle Formen von nervösen Zuständen, ob im Krampf oder Schmerz, verlangen den Baldrian!"
Er gilt als klassisches Beruhigungsmittel, seine Inhaltsstoffe wirken teils über die Großhirnrinde, teils über das vegetative Nervensystem, mit anderen Worten, er ist als Balsam für unsere Nerven. Außerdem wirkt er anregend, betäubend, entspannend, krampflösend, konzentrationsfördernd und wurmtreibend.
Dementsprechend verwendet man ihn vorzugsweise bei Blähungen, Depressionen, Einschlafstörungen, Erschöpfungszuständen, krampfartigen Schmerzen im Magen-Darm-Bereich, Konzentrationsschwäche, nervös bedingten Herzbeschwerden, Reizbarkeit, Stress, allgemeine Nervosität, Angst- und Spannungszuständen. (Jeder fünfte Patient soll an Ein- und/oder Durchschlafstörungen leiden)
In der Volksheilkunde sind aber weit mehr Anwendungen überliefert, z.B. bei Akne, Appetitlosigkeit, Arterielle Hypertonie, Augenschwäche, Ausweitung der Blutgefäße, Asthma, Beschwerden der Wechseljahre, betäubende Wirkung auf das Zentralnervensystem, Erkältung, Fieber, Husten, Hexenschuß, Hysterie, Kopfschmerzen, Kreislauferkrankungen, Migräne, Menstruationsschmerzen, Nervenschmerzen, Ohnmachtsanfällen, Rheumatische Schmerzen, Schlafwandel, Schwindel und Sodbrennen.
Als Nebenwirkungen bei Überdosierung können Kopfdruck, Kopfschmerzen, Magenunverträglichkeit und Übelkeit auftreten.
Vielfach wird die Baldrianwurzel wegen seiner beruhigenden und krampfstillenden Wirkung auch in der Form von Tee oder Teemischungen (Nerventee, Magentee), Tinktur, Pulver, Mono- und Kombinationspräparaten und Badezusätzen genutzt. Kombinationen mit anderen beruhigend wirkenden Heilkräutern sind sehr empfehlenswert, hier hat sich besonders die Kombination mit Hopfen bewährt.
Auch auf Tiere wirkt Baldrian beruhigend und entspannend und wird besonders bei Krämpfen und Koliken angewandt.
Geschichte:
In der nordischen Mythologie hat die Göttin Hertha, ihn als Gerte benutzt, wenn sie auf ihrem mit Hopfen gezäumten Hirsch durch die Wälder ritt. Symbolisch steht der Baldrian hier für die besänftigenden Heilkräfte, der das wilde Gemüt zähmt und die erregten Nerven entspannt.
Baldrian hat eine anmutige Gestalt vergleichbar mit einer Elfe und liebt das feuchte Element. In mondhellen Nächten sollen die Geister des Wassers und des Mondes, die Undinen, Wassernixen und Elfen beobachtet worden sein, wie sie um ihn tanzten. Daher auch die Namen Mondwurz und Elfenkraut. Wendkraut oder Wendwurzel leitet sich von der Verwendung als Zauberkraut ab, weil die Wurzel Böses zum Guten wenden sollte.
Weil Katzen sich mehr zu Baldrian hingezogen fühlen (eher wie zu Katzenminze), sich sogar darin wälzen und manche von dem Geruch wie toll werden, erhielt das Kraut im Volksmund auch Namen wie Katzenkraut und Katzengeil.
Im Volksglauben gilt der Baldrian auch, wohl seines unangenehmen Geruches wegen, als zauberabwehrendes Mittel. Als Amulett um den Hals getragen, gekaut oder geräuchert (Wurzelpulver) schützte man sich so gegen Ansteckung verschiedener Krankheiten.
Bei den alten griechischen und römischen Ärzten war Baldrian unter dem Namen Phu bekannt, jedoch läßt es sich nicht mit Sicherheit nachweisen, ob
Valeriana officinalis oder eine andere Valerianaart damit gemeint war. In der medizinischen Literatur des Mittelalters findet der Baldrian sich unter verschiedenen Namen, so z. B.
amantilla,
valeriana,
naneilla,
marcorella,
theriacaria usw.
In alten Kräuterbüchern wird Baldrian hauptsächlich als großes Augenheilmittel gelobt, was heute kaum noch bekannt ist, wie aber die Sage des Würzburger Goldschmiedes zu berichten weiß. Danach habe er täglich eine Messerspitze pulverisierte Baldrianwurzel in einem Glas Wein zu sich genommen, seine Augen schärften sich so sehr, daß er selbst in hohem Alter noch auf eine abgebrochene Nähnadel einen deutlich, in allen Einzelheiten erkennbaren Löwen eingraviert haben soll.
Im 15. Jahrhundert wurde er sogar als Liebesmittel geführt. In einer eine Handschrift des 15. Jahrhunderts aus dem Schlosse Wolfsthurn bei Sterzing ist nachzulesen: "Wilter gute freuntschaft machen under manne und under weibe, so nym valerianum und stosz die czu pulver und gib ins czu trinken in Wein."
Desweiteren war Baldrian als Mittel gegen Pest und andere Seuchen bekannt, darauf nehmen zahlreiche, noch heute im Volke bekannte Sprüche Bezug. Ein angelsächsischer Spruch sagt: "Trinkt Baldrian, so kommt ihr alle davon." Die Waldfräulein/Waldfeen sollen den Menschen zugetragen haben: "Eßt Bimellen und Baldrian, So geht euch die Pest nicht an" und die Vögel zwitscherten: "Häst du getruncken Bibrioll und Bollrio Wärst du nicht 'storben dro ! "
Dioskurides, dessen Phu nach Sprengel mit unserem Baldrian identisch ist, schätzt ihn als erwärmendes, menstruationsförderndes und harntreibendes Mittel, welches auch gegen Seitenstechen und als Gegengift verwendet wurde.
Bei Hippokrates, Hildegard v. Bingen und Paracelsus galt die Baldrianwurzel als wertvolles Heilmittel. Bock und Matthiolus verordnen sie als Diuretikum (Ausschwemmung von Wasser), schmerzstillendes Mittel, Emmenagogum (Förderung der Menstruation), gegen Husten und Asthma, Blähungen, Antrax (Blutgeschwür), innere Verletzungen, äußerlich gegen Kopfweh, Augenröte und -schmerzen und zur Wundheilung.
Osiander führt den Baldrian als Volksmittel gegen Würmer an; bei Hufeland spielt er eine große Rolle als "eins der besten" Nervenmittel. Als Antispasmodikum (krampflösendes, krampflinderndes Mittel) wurde es im 17. Jahrhundert von zwei italienischen Ärzten erfolgreich gegen Epilepsie angewandt.
Um die Jahrhundertwende war Baldrian mehr oder weniger nur noch auf seine nervenberuhigende Wirkung reduziert, besonders der des weiblichen Geschlechts, welches stets ein Baldrianfläschchen für alle Fälle bei sich trug. Seine anderen Heilkräfte gerieten mehr und mehr in Vergessenheit.
Bekannt ist eine gewisse "Baldriansucht" von Personen, die regelmäßig Baldrian gebrauchen.
Siehe auch:
Lehrbuch der Biologischen Heilmittel, 1938 Dr. Med. Gerhard Madaus
Bei langanhaltenden, wiederkehrenden oder sich verstärkenden Beschwerden, sollte immer ein erfahrener Mediziner zur Abklärung der Ursachen konsultiert werden.