Hallo Mitstreiter,
aus fast noch aktuellem Anlass, habe ich mir - zum wiederholten Male - die Frage gestellt, ab wann ein Mensch eigentlich als "erwachsen" zu bezeichnen ist.
Im Folgenden möchte ich nun einige meiner Gedanken aufbereiten um eine gemeinsame Diskussionsgrundlage zu schaffen.
Biologisch:
In der Biologie gilt ein Individuum als erwachsen, wenn es die Geschlechtsreife erreicht hat, d.h. wenn es im Stande ist, Nachkommen zu zeugen. Dies setzt eine körperliche Reife vorraus, die maßgeblich vom Hormonhaushalt bzw. der korrekten Funktion aller entscheidenden Drüsen abhängt. Liegt eine - natürliche oder durch Umwelteinflüsse hervorgerufene - Fehlfunktion vor, kann es sein, dass die Geschlechtsreife viel zu früh (aktueller Trend bei uns Menschen), viel zu spät (z.b. bei jugendlichen Leistungssportlern, besonders gut bei jungen asiatischen Turnerinnen zu beobachten) oder sogar nie (siehe: Durch Hormonbelastung im Wasser unfruchtbare Jungfische) eintritt.
Per biologischer Definition wäre das Erwachsensein damit nicht nur rein von körperlichen Faktoren abhängig, sondern unter bestimmten Vorraussetzungen nicht einmal für alle erreichbar.
Selbst wenn: Der 12-Jährige Dreikäsehoch aus Nordengland, der mit seiner 17-Jährigen Freundin ein Kind gezeugt hat, ist jedenfalls nicht das, was wir unter dem Begriff "erwachsen" verstehen. :kreuz:
Wortsinn:
"Erwachsen" im Sinn von "ausgewachsen", "der Kindheit & Jugend entwachsen" ist ebenfalls ein hauptsächlich auf biologischen und subjektiven Faktoren gegründeter Terminus. Nach Abschluss der Pubertät und dem vollständigen Ausgewachsensein mit ca. 17-19 bei Mädchen, 18-20 bei Jungen betrachtet man eine Person zumindest rein körperlich als erwachsen und wird von Fremden auch so wahrgenommen.
Dass diese Definition allerdings ebenfalls nicht das Gelbe vom Ei ist, sieht man an der offensichtlich einfachen Möglichkeit zur Manipulation des äußeren Erscheinungsbildes. Ein bisschen Schminke hier, ein zu enges Kleidungsstück mit weitem Ausschnitt da und Hast-Du-Nicht-Gesehen ist die 15-Jährige Schülerin am Türsteher vorbei in die Disco verschwunden, obwohl die Hausordnung vorschreibt, dass Kinder und Jugendliche dort nichts zu suchen haben. :kreuz:
Juristisch:
Die Juristen - ein meiner Erfahrung nach ganz besonderes Volk - macht es sich natürlich wie immer denkbar einfach und übernimmt eine gängige Methode aus der Mathematik um die Realität zu formen. Sie definieren einfach munter drauf los. In der BRD sieht das dann so aus:
Mit der Geburt wird ein Mensch rechtsfähig.
Mit Vollendung des 7. Lebensjahres wird man beschränkt geschäftsfähig.
Mit Vollendung des 14. Lebensjahres wird man strafmündig.
Mit Vollendung des 16. Lebensjahres wird man beschränkt ehemündig, testierfähig und erhält in einigen Bundesländern der BRD sogar ein aktives Wahlrecht bei Kommunalwahlen.
Mit 18 wird man voll geschäftsfähig, voll strafmündig und deliktsfähig, darf den Führerschein machen und auf Bundesebene zur Wahl gehen. Man nennt dies "Volljährigkeit".
Mit 21 erhält man die volle strafrechtliche Verantwortlichkeit als Erwachsener.
Nun hat es die Juristerei so an sich, dass sie in jeder Ecke der Erde anders ausgelegt wird. In Pakistan werden Männer mit 18, Frauen aber bereits mit 16 Volljährig, zweifellos deswegen, damit sie unproblematisch verheiratet und bei Ungehorsam mit aller Härte bestraft werden können. In Monaco werden Männlein wie Weiblein erst mit 21 volljährig, auf den Philippinen theoretisch mit 18, praktisch aber sobald man heiratet, was auch bereits im zarten Alter von 15 möglich ist.
Man braucht nicht lange zu schauen um die Sinnlosigkeit eines juristischen Disputes über dieses Thema zu erkennen. Die Zahlen sind mehr oder minder aus den Fingern gesogen und der herrschenden Gesellschaftsschicht zum Wohlgefallen angepasst. Auch hier bleibt die Frage nach dem Zeitpunkt ab dem man erwachsen ist offen. :kreuz:
Psychologisch:
Den psychologischen Aspekt des Erwachsenseins, habe ich bis jetzt bewusst ausgelassen, obwohl er gemäß des allgemeinen Verständnisses einen nicht unerheblichen Teil des Reifeprozesses ausmacht. Gleichermaßen wichtig wie schwierig ist es allerdings, bei der objektiven Bewertung eines solch kritisch zu behandelnden Gutes wie der menschlichen Psyche keine all zu voreiligen Schlüsse zu ziehen.
Das Kind das auf der Straße lebt, weil beide Eltern der Drogensucht erlegen sind, das wahrscheinlich mehr Elend und Kummer erlitten hat, als manch rüstiger Rentner, mag geistig schneller Altern als der in wohlbehütetem Elternhaus aufgewachsene Sohn einer Ärztin und eines Anwalts, der mit 35 immernoch studiert, niemals eine Freundin hatte und für den ein geplatzter Autoreifen eine mittlere Katastrophe bis hin zur Bedrohung der eigenen Existenz darstellt.
Das gesellschaftliche Problem, dass sich daraus ergibt, wenn man unsere Jugend (mich selbstredend miteingeschlossen
) bis zu Sankt-Nimmerlein in sogenannte Bildungseinrichtungen steckt und sie womöglich noch vor dem Abschluss für volljährig und damit erwachsen erklärt, bevor sie auch nur einen Hauch vom wahren Leben mitbekommen haben, dürfte auf den ersten Blick einleuchten. Das kann so nicht ganz richtig sein.
Einen genauen Zeitpunkt zu bestimmen, wann ein Mensch auf psychologischer Ebene als Erwachsener bezeichnet werden kann, ist also mangels unterschiedlicher Erfahrungen ebenfalls nicht möglich. :kreuz:
Ist die Großjährigkeit (Majorennität) die man mit dem 21. Lebensjahr erreicht, also besser geeignet einen Menschen als Erwachsenen zu definieren, als die Volljährigkeit mit 18? Ich meine
Ja.
In meinen Ausführungen kam immer wieder zum tragen, dass eine genaue Bestimmung des Zeitpunktes des letztendlichen Ausreifens eines Individuums nicht möglich ist, allerdings ergibt sich aus nüchterner Betrachtungsweise der Fakten ebenfalls die Erkenntnis, dass es sowas wie einen endgültigen Abschluss der Entwicklung eines Menschen überhaupt gar nicht geben kann.
Mit ca. 21 - davon ausgehend, dass man bis dahin mit der Schule fertig ist und das "echte Leben" etwas kennen lernen durfte, unter keinen entwickungshemmenden Krankheiten leidet und schon einiges an Erfahrung angesammelt hat - sind sicher mehr als 90% aller Menschen zumindest theoretisch bereit dazu als denkende, verantwortungsvolle Erwachsene eingestuft zu werden. Was jeder für sich dann daraus macht, ist seine Sache. :haken:
Dies ist vielleicht sehr subjektiv, da ich selbst aus der Sicht eines gerade großjährig Gewordenen schreibe, allerdings ist gerade dies ein Ansatzpunkt für ein interessantes Gespräch zwischen den unterschiedlichen Generationen, die auch hier vertreten sind.
Ich selbst fand mich übrigens mit 16 schon sehr erwachsen. Bestätigt wurde ich, als der Staat das als ich 18 wurde dann auch so sah. Und heute, mit 21, frage ich mich, ob es trotz bereits erreichter Großjährigkeit noch lange dauern wird, bis ich es tatsächlich bin.
In diesem Sinne, mit jugendlichem Gruß
~Ingrimm