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Lynagh

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Montag, 31. März 2008, 11:38

Drehe dich um, die Ecke rum

Ein Tanz ist für gewöhnlich eine freudige Angelegenheit, die man genießt und die eine Freude ausdrückt. Normalerweise würde man auch denken, daß alle Menschen, die gerne tanzen so etwas empfinden. Wenn man tanzt fühlt man Freude und Freiheit, sagen die einen. Wenn man tanzt fühlt man nichts, sagen die anderen. Es gibt jedoch auch eine dritte Gruppe, für die der Tanz gar etwas anderes bedeutet – die Flucht aus der Wirklichkeit. Ob man es bewusst tut ist nie beantwortet und wahrscheinlich bleibt es auch so; und man dreht sich um, man dreht sich um und dreht mal eine Ecke rum und die Verbindung zur Realität reißt. Es ist auch möglich, daß in der Realität, die wir kennen, noch eine andere tief verborgen ruht.


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Das Mädchen Oddfjörg drehte sich im Kreise. Sie tanzte gerne und wenn sie sich wild im Tanz drehte vergaß sie alles. Sie vergaß, daß sie die Fische saubermachen und kochen sollte. Sie vergaß, daß sie auf ihre kleine Schwester Oddrun aufpassen sollte. Sie vergaß alles und drehte sich rundherum, bis sie nur noch rote Streifen wie Bänder mit ihren Augen sah.„Was soll denn aus diesem Kind noch werden,“ klagte ihre Mutter Valgerdur. „Man kann ihr nichts anvertrauen...“Alles lief schief an diesem Tag. Das Essen war spät, die kleine Oddrun viel in eine dreckige Pfütze und Oddfjörg benahm sich verrückt, wie ihre Mutter es nannte. „Dreh dich nicht so wild um, Oddfjörg,“ mahnte sie. "Anders wirst du deinen Geist aus dem Körper entlassen – vertreiben sogar.“ Valgerdur kramte in ihrem Schmuckkästchen und nahm daraus ein dünnes Lederbändchen, an dem eine Rune aus Silber hing.„Hier", sagte sie zu ihrer Tochter, die jetzt still und schuldbewusst in einer Ecke stand. „Trage diese Schutzrune, sie wird deinen Geist schützen und an dich binden.“ Oddfjörg, die noch ein schlechtes Gewissen hatte, weil sie ihre Pflichten so vernachlässigte, nahm das Amulett und versprach, es zu tragen.An demselben Abend saß die Hexe Skroppa und ihre Dienstboten, die Trollfrauen Skrukka, Tölgd und Ygja beim Feuer und rührten in einem rußigen Kessel ein unappetitliches Gebräue.Skroppa, eine große Frau mit tiefrotem Haar, war nahe dem Ziel. Sie suchte nach einem Mittel, wie sie ihrer eigenen Tochter, der Slefa, wieder eine Gestalt geben konnte. Slefa lag in einer Ecke, eine Drachenschlange. Eine Tochter, die sie aus der Verbindung mit dem Dämon Sutur gebar. Slefa war ein bösartiges Wesen und beschäftigte sich nur damit, anderen zu schädigen. Bei ihrer Geburt hatte sie menschliche Gestalt und sie wuchs zu einem Mädchen mit blutrotem Haar. Man könnte sie nicht hübsch nennen und innerlich war sie schwarz wie Kohle. Sie wünschte auch den Göttern alles Schlechte und als sie einmal versuchte dem Sleipnir, dem Roß des Odins, die Kehle durchzuschneiden, was ihr natürlich nie gelingen könnte, da sich Sleipnir gut zu verteidigen wusste, wurde der Vater der Götter so verärgert, daß er sie mit seinem Speer auf den Kopf schlug und in eine Drachenschlange verwandelte. Ab dem Tag blieb Slefa immer zuhause, wo sie gerollt bei dem Feuer lag und nur grübelte und darüber nachdachte, wie sie sich rächen konnte. Sie brauchte wieder eine Gestalt, denn als Drachenschlange waren ihre Möglichkeiten sicher nicht sehr groß. Ihre Mutter, die Hexe Skroppa, tat ihr Bestes, um ihr eben diese Gestalt wieder zu beschaffen. Endlich waren ihre Bemühungen von Erfolg gekrönt und das Gebräue im Kessel, die magische Schlinge, war fertig. Sie schickte ihre Dienerinnen auf die Suche nach einem geschickten Körper.Skrukka, Tölgd und Ygja waren nicht so froh darüber, daß sie irgendwo laufen sollten, denn wie alle Trollfrauen waren sie ziemlich faul und nur, wenn sie eine Jagd auf jemanden machten, den sie danach auch verspeisen konnten, ließen sich schnelle Bewegungen entwickeln. Sie schlenderten langsam den Strandweg entlang des Meeres, das sie verabscheuten, sie hassten eigentlich klares Wasser in allen Erscheinungen. Als sie ein Stück, das ihnen schon sehr lang schien, gegangen waren, sahen sie ein Fischersdorf.„Weiter kriegt mich niemand hin, auch nicht die Herrin,“ sagte Ygja, welche die Dickste von den drei war. Ihre Gesellinnen stimmten dem zu. „Ja, hier bleiben wir und wir warten, bis jemand entlang kommt. Zu einem Brunnen kommt sicher jemand.“ Gehüllt in langen Mänteln mit Kapuzen tief ins Gesicht gezogen, setzten sie sich auf die Steine beim Brunnen. „Hast du die Lockfalle?“ fragte Skrukka.„Ja, aber sie sieht aus wie eine Flöte,“ antwortete Tölg. „Ich hasse Flöten!“

„Du weißt es ist keine wirkliche Flöte,“ sagte Ygja, „sie spielt sich schon selbst.“ Die Trollfrauen sahen sich an, sie hassten nämlich jegliche Musik.„Der Wasserkrug ist leer, Oddfjörg.“ rief die Mutter am Abend. „Gehe du zum Brunnen, denn ich habe den Haferbrei im Kessel kochen.“ Oddfjörg nahm den Krug und ging zum Brunnen. In ihren Gedanken hörte sie Musik, die sie sich manchmal ausdachte, wenn sie tanzte. Sie füllte den Krug voll und die Musik wurde lauter und lauter – sie hob ihren Kopf und bemerkte drei in lange Mäntel gehüllte Frauen, die nicht weit vom Brunnen saßen. Eine lächelte ihr zu – hatte sie wirklich Eiserne Zähne? „Liebes Mädchen“, krächzte eine der Frauen. „Gib uns einen Schluck Wasser, wir haben eine lange Reise hinter uns und unsere Beine wollen uns nicht mehr tragen.“Oddfjörg, welche die Frauen nicht als besonders beruhigende Erscheinungen empfand, dachte, es ist besser wenn sie es täte. Sie bot ihnen den Krug an. Die Trollfrauen taten als ob sie tranken, gossen das Wasser aus dem Krug hinter dem Stein aus und gaben inzwischen das Gebräu in den Krug. Oddfjörg sah, daß eine der Frauen eine Flöte in der Hand hielt und als ihre Freundin ihr einen Hieb gab, sie diese zu ihren Lippen hob. „Wir möchten uns bedanken mit einem Musikstück.“ sagte die dickste der Frauen. „Wir sind arme Musikantinnen.“ sagte die andere. Die Musik erklang, eine Musik, bei der die Beine selbst die Entscheidung trafen, nicht stillzustehen. Oddfjörg tanzte und tanzte, wurde durstig, nahm einen Schluck aus ihrem Wasserkrug und tanzte schneller und schneller, bis sie wieder nur rote Streifen vor ihren Augen sah. „Dreh dich um, dreh dich um, dreh dich um die Ecke rum!“ reifen die Trollfrauen. Die roten Streifen vor ihren Augen wurden dicker, verwandelten sich in ein Tau, das sich um ihre Kehle schlang.Slefa betrachtete ihren neuen Körper und war zufrieden. „Was machen wir mit dem Vieh?“ fragte sie ihre Mutter Skroppa und zeigte mit einem Finger auf die Drachenschlange. „Werfe es nach draußen; soll es verrecken!“ sagte die Hexe. Die Drachenschlange, die jetzt die arme Oddfjörg war, schleppte sich mühsam in die Richtung des Dorfes. So kann ich nicht nach Hause, die werden mich noch totschlagen, dachte sie. Sie schleppte sich zum Brunnen, rollte sich hinter den Steinen zusammen und hätte geweint, wenn sie als Schlange hätte weinen können. Der Mond schien mit seinen silbernen Strahlen und da sah sie etwas glitzern. Ihr Amulett, das ihr die Mutter gab. Sie steckte ihren Kopf in das lederne Band an dem die Rune hing und dachte eben an die Worte ihrer Mutter Valgerdur:. „Das Amulett wird deinen Geist und deinen Körper immer zusammen halten.“ In dem Augenblick als sie es dachte, fühlte sie, daß sie wieder in ihrem wahren Körper steckte. Bei dem Brunnen lag da eine Drachenschlange, Slefa, die hässlich zischte. Oddfjörg, die sich vor Schlangen fürchtete, reagierte spontan, indem sie einen großen Stein auf den Kopf der Schlange warf und sie dadurch tötete.Sie nahm den Krug, der noch beim Brunnen lag, spülte ihn gut aus, füllte ihn mit klarem Wasser und ging nach Hause. Sie erzählte ihrer Mutter was geschah.„Tanz war, ist, und wird es immer als Freude des Lebens geben, aber man soll darauf achten, daß man sich nicht darin verliert, ekstasisch wird, denn in allen Handlungen sind ‚Kala’, Dinge und Bedeutungen, die sich darin verbergen und verborgen bleiben sollen.“ antwortete Valgerdur und streichelte den Kopf ihrer Tochter. „In allem was man tut, soll man es niemals übertreiben.“



© 2008 Lynagh
***NEC ASPERA TERRENT***


Nil admirari prope res est una, solaque quae possit facere et servare beatum
= sich über Nichts zu wundern ist wohl das Einzige, was einen glücklich machen kann und bleiben läßt
(Horatius)