24. Mai 1952
Besuch bei Frau Heß. Sie ist gerade bei der Zusammenstellung der Briefe ihres Mannes und zeigt mir einige davon. Beim lesen entsteht das Bild jenes stillen, in sich gekehrten Menschen, der in diesen Tagen das zwölfte Jahr seiner Gefangenschaft beginnt. Die tiefe Ergebenheit in sein Schicksal entsteht aus einer zu jedem Leiden bereiten Liebe zu Deutschland. Seine Korrespondenz zeigt auch einen ausgeprägten Sinn für alles, was die Familie und deren Zukunft betrifft, und wie ein sorgender Vater beugt er sich über das Schicksal jedes einzelnen ihrer Mitglieder in einer Sprache, die in maßlosem Leiden und unerbitterlicher Einsamkeit eine beispiellose Ausgeglichenheit erworben hat. Es fällt mir schwer, mich von diesen Briefen und von dieser Frau loszureißen und ich hoffe, daß wir im Kameradenwerk Mittel und Wege finden werden, um das Leiden dieses Menschen ein wenig zu erleichtern. Nachts fahre ich bis Immenstadt, wo ich ein paar Stunden im Hause eines Freundes schlafen kann.
Hans-Ulrich Rudel: "Verloren ist nur, wer sich selbst aufgibt!"