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Sonntag, 26. Oktober 2008, 11:31

Arbeitstitel - Aus dem Leben gegriffen

Der nachfolgende Auszug entstammt meiner Feder, und unterliegen auch meinem Copyright. Weitere Verwendung - auch in Auszügen - bedürfen meiner schriftlichen Einverständniserklärung.

Zitat


Gewidmet unseren Mitmenschen, die dem Turbokapitalismus zum Opfer gefallen sind, aber ihre Ehre behalten haben. Und die Ehre ist eines der wichtigsten Eigenschaften, die ein Mensch neben der Gesundheit und seiner Arbeitskraft hat.



Ausgenutzt, Verraten, Verkauft, Diskriminiert, Abgeschoben


Einleitung
Meine Geschichte handelt von Antonia und Anton. Sie können die beiden Protagonisten auch Alfred und Elfriede nennen, oder Adam und Eva. Doch ich finde Anton und Antonia für unsere heutige Zeit passender. Schließlich klingen die Namen Alfred und Elfriede wie aus einem Jahrhundert vor unserer Zeit. Oder gar Adam und Eva. Die Menschen die diese Namen trugen, hatten noch kein Internet und kannten keine Blind-Dates. Da ging es noch richtig zur Sache, denn zu jener Zeit pflegte man noch den menschlichen Umgang miteinander, in einer Sprache die man heute schon als urdeutsch bezeichnen könnte. Es waren Zeiten, in denen man noch einander brauchte, in der man sich noch in die Gesellschaft einbringen konnte um letztendlich in ihr aufzugehen. Eine Zeit, in der es noch Wertvorstellungen gab, auf die man stolz war und darauf aufbaute. Wo alles noch Bestand hatte, ohne dabei selbst auf einen Platz stehen zu bleiben. Eben eine Zeit, in der der Mensch eben noch Mensch war und nicht von seelenlosen Maschinen ersetzt wurde. Obwohl ich nun nicht behaupten möchte, das jene Menschen damals nicht auch Probleme hatten. Ganz und gar nicht. Doch möchte ich nicht weiter in die Vergangenheit schweifen, denn das sollte hier nicht mein Thema sein. Oder vielleicht doch? Na ja, manchmal tut vielleicht eine kleine Rückbesinnung ganz gut. Es war ja wirklich nicht alles so schlecht, wie man uns gerne glauben macht. Vielleicht sollte man manchmal über solche alten Werte doch einmal nachdenken. Vielleicht kann man daraus das Beste für sich entdecken oder gar lernen in manchen Dingen einmal umzudenken? Kann ja nicht schaden. Schließlich könnte man ja durchaus Vergangenes mit Gegenwärtigem und sogar Zukünftigem verbinden. Oder? Wie sagt man so schön, - „die Mischung macht´s“. Aber nun zurück zu meiner eigentlichen Geschichte, zurück zu Anton und Antonia.2001 machte Antonia, im Internet, in einem sogenannten „Themenchat“ eine interessante Bekanntschaft. Am Anfang war es nur ein nettes Geplänkel über historische Themen, Erfahrungs- und Wissensausgleich. Also nichts mit leichtfüßigen Hasenchats ala´Hase sucht Häsin oder so. Nein, es war ein Chat, wo man sein Wissen austauschte oder auch vervollständigte, je nach dem, oder auch mal ein lockeres Gespräch führte und seine Witzchen machte. Ja manchmal stritt man auch untereinander um dann den nächsten Tag sich wieder zu vertragen. Naja, manchmal gab es aber auch Tage, da waren die Gespräche ganz schön leer und nichtssagend gefüllt mir dem miefigen Geruch der Selbstinszenierung. Wie es eben so ist in einem Themenchat. Es verging etwa ein Jahr, und Antonia traf sich immer öfter mit ihrem Lieblings-chatter. Und dann kam es so, wie es eben kommen musste. Wie schon erwähnt, Antonias Teilnahme an diesen Chat konzentrierte sich immer mehr auf eine Person, eben jener anfangs erwähnten Chatbekanntschaft. Aus den gemeinsamen Gesprächen heraus stellten sie und ihr virtueller Partner eines Tages fest, dass sie in ihren Lebensanschauungen doch sehr ähnlich gepolt sein mussten und es erfolgte der unter Usern allseits bekannte Bildertausch, doch diesmal gleich die „Echten“, wie sie später beide feststellen sollten. Und wie das nun mal so in einem Chat ist, die Neugier aufeinander wuchs. Irgendwann beschloss Antonias Lieblings-chatter Nägel mit Köpfen zu machen und schlug ihr ein Treffen vor. „Wieso eigentlich nicht“, -dachte sie. „Gleiche Wellenlänge, der Mann war auch nett anzuschauen“, - und außerdem wusste sie ja schon ein ganz Menge über ihren virtuellen Gesprächspartner. Viel hatte sie sowieso nicht mehr zu verlieren. Antonia war selbständig, doch ihre Geschäfte liefen nicht so wie sie es sich vorgestellt hatte, da in Deutschland einfach die Kaufkraft fehlte, und Antonia schließlich vom Verkauf ihrer Ware leben musste. Privat ging es auch nicht mehr so, wie es sich für eine gesunde Beziehung gehörte. Kurzum, die beiden setzten ihren Plan in die Tat um. Was sollte schon passieren dachte sie und stimmte dem Treffen zu. Sicher werden sie jetzt denken; „Mensch wie naiv ist die denn drauf“. Nun ja, es ist sicherlich nicht schwierig, als Außenstehender die Antonia als Dummchen so zu beurteilen. Aber dennoch, schließlich ist sie eine erwachsene und selbständig denkende Frau und scheint ihre Entscheidung jedenfalls bis heute nicht zu bereut zu haben. Doch kehren wir nun zu der Lebenssituation ihres noch immer unbekannten und doch irgendwie bekannten, ja beinahe vertrauten virtuellen Gesprächspartners zurück. Wie wir ja alle wissen, macht Mobbing krank und schadet der Arbeitskraft. So sagen es uns zumindest die sogenannte Arbeitspsychologen. Was wir auch wissen, unsere Gesundheit und die Erhaltung unserer Arbeitskraft, sind das wertvollste Gut was wir Menschen besitzen. So sagte es mir jedenfalls einmal mein Lehrer in der Schule. Nun ja, manche stellen allerdings das Geld in den Vordergrund und würden sogar ihre Großmutter dafür verkaufen. Aber diese Gattung Mensch ist für mich, wie sicherlich auch für meine Antonia nicht relevant. Also kurz und gut, ihr imaginärer Partner kündigte seine Arbeitsstelle. Grund, - sein Chef wollte oder konnte sich nicht mit der mobbierenden Kontrahentin seines Arbeitnehmers auseinandersetzen, schließlich war jene seine Ehefrau. Bevor also die ewigen Auseinandersetzungen in unkontrollierten Reflexen endeten, einigte man sich auf eine betriebsbedingte Kündigung, und das war´s dann auch. Schließlich dürfte es ja nun wirklich nicht schwer sein, in Deutschland sein fünfundzwanzig jähriges Wissen als Facharbeiter woanders an den Mann zu bringen. Getreu nach den Floskeln, die man ja täglich in allen Tonlagen aus dem Fernseher heraus posaunen hört und in den schriftlichen Medien liest: „Wer einen Willen hat, dem ist kein Weg zu weit“ oder, „Wer Arbeit sucht, der findet auch welche“. So sah also Antonias bekannter - unbekannter Gesprächspartner frohgemut in seine neue Arbeitszukunft. Doch eines versäumten die prominenten Sprücheklopfer noch zu erwähnen, und zwar den wichtigsten Punkt, welchen Preis der Mensch in Deutschland dafür bezahlen musste, wenn man seinen Volksvertretern und Co. auch nur ein einziges Wörtchen Glauben schenken sollte. Auch dies sollten die Beiden eines Tages noch erfahren. Wie aus meinen Worten schon zu entnehmen ist, der ominöser Chat-partner Antonias, mit der sanften Telefonstimme war also arbeitslos.Als es die Zeit endlich zuließ, dass ihr großer Unbekannter vom anderen Ende der Internetleitung ein paar Tage von seiner, vom Arbeitsamt organisierten IT – Fortbildungslehrgang frei bekam, trafen sie sich endlich in Antonias ländlichen Gefilden. Und da stand er nun plötzlich vor ihr, der arbeitslose Anton mit der angenehmen Telefonstimme. Noch heute würde Antonia dieses Treffen so beschreiben: „Er kam, sah und siegte“. Seitdem gab es nur noch Anton und Antonia. Als nächstes gab Antonia kurzerhand ihre inzwischen zur Farce ausgeartete Selbständigkeit auf und zog als fünfundvierzigjähriges Landei, zu ihrem ebenfalls fünfundvierzigjährigen Anton, in eine kleine Einraumwohnung mit Balkon und Fahrstuhl, mitten in die Großstadt. Ob Antonias Schritt wirklich ein großes Wagnis war, oder vielleicht auch nur von einer recht jugendlichen Flexibilität zeugte; auch das sollten wir nicht so einfach beurteilen. Jedoch hielten viele ihrer Verwandten und Bekannten sie entweder für mutig oder für verrückt. Einige verdammten sie sogar dafür. Aber was soll´s, die wussten eben nicht wie es in ihr aussah und glaubten lieber an dem Schein als dem Sein ihres bisherigen Daseins. Antonia jedenfalls war rund um glücklich, einen so verständnis- und liebevollen Partner mit einem gehörigen Anteil von Selbstdisziplin an ihrer Seite zu wissen.
Es dauerte nicht lange und der Alltag hatte die Beiden auch schon wieder eingeholt. Antonia musste sich nun ebenfalls arbeitslos melden, geriet aber durch ihren Status der selbständigen Unternehmerin nicht etwa in die Hände des Arbeitsamtes, sondern gleich ganz tief in die Gefilde des Sozialamtes. Sie können mir glauben, das war für die Gute wirklich kein einfacher Weg und zehrte sehr an ihrem Selbstbewusstsein. Kennen sie liebe Leser das Gefühl der Angst vor etwas Unbekannten? Wenn man sich plötzlich wie in einer Falle gefangen fühlt, ohne einen Ausweg finden zu können, wo einem der kalte Schweiß den Rücken hinunter läuft und der Puls bis zum Hals schlägt? So oder so ähnlich erging es der Antonia jedenfalls. Zum Glück ließ ihr lieber Anton sie in dieser unangenehmen Situation nicht völlig schutzlos und allein in die kahlen unpersönlichen Gänge des Sozialamtes eintreten, und versuchte ihr die Beklemmungen etwas zu nehmen, was ihm jedoch angesichts der schon dort versammelten Personen nicht so ganz gelang.

(C) by Taija v. Reiß
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Sonntag, 26. Oktober 2008, 11:31

Arbeitstitel - Aus dem Leben gegriffen Teil - II

Zitat

Einigen dieser Menschen dort war die Armut buchstäblich schon ín´s Gesicht geschrieben und ihr aufgegebenes Selbstwertgefühl regelrecht anzusehen, schlimmer noch, bei dem einen oder anderen war dieser Zustand sogar so stark zu erriechen, dass Antonia sich schon selbst benebelt zu fühlen begann. Wohin bin ich hier nur geraten, dachte Antonia still vor sich hin. Einer nach dem Anderen wurde aufgerufen und verschwand hinter weißen gläsernen Türen. Hier und da hörte man ein paar unflätige Bemerkungen. Auf der einen Seite beneidete sie keinen dieser Mitarbeiter in diesem Amt für ihre sicherlich oftmals frustrierende Arbeit, aber andererseits fürchtete Antonia, das sie, die noch nie etwas mit so einer Institution zu tun hatte, unfreundlich oder gar herablassend von der anderen Schreibtischseite her behandelt werden könnte. Endlich war nun auch Antonia an der Reihe und sie begegnete zu ihrem Erstaunen einer überaus freundlichen Mitarbeiterin, die ihr mit einem beruhigenden Lächeln die vorbereiteten Papiere abnahm, um Antonias zukünftige Arbeitslosigkeit amtlich verwalten zu können. Mitfühlend und aufmerksam, so glaubte die arme Antonia anfangs, hörte sich die Dame vom Amt den Lebenslauf ihrer „Gegenüber“ an. Bei den Worten, dass sie die meiste Zeit sich hauptsächlich ihrer Familie widmete und nebenbei als mithelfende Ehefrau im Betrieb ihres Mannes mitarbeitete, hob die amtliche Dame vielsagend ihre gezupften Augenbrauen und kritzelte auf einem anscheinend vielsagendem Papier so etwas wie; „nicht gearbeitet“. Nun mach mal einen Punkt, dachte Antonia im Stillem bei sich. Nicht gearbeitet? Ist denn die Familie zu managen heute keine Arbeit mehr? Schließlich habe ich eine ganze Menge aufgegeben für die Familie und letztendlich haben sich meine Kinder zu prächtigen Steuerzahlern entwickelt. Ist das etwa nichts? Nun ja, noch konnte Antonia würdig ihre Haltung bewahren und den Faustschlag mitten in ihr Gesicht ignorieren, ohne das ihre Gegenüber etwas von Antonias Gedankengängen bemerkte. „Meine letzte Bürotätigkeit liegt jetzt schon mittlerweile fünfundzwanzig Jahre zurück, ich würde deshalb gerne einen Auffrischungslehrgang besuchen um wieder im Büro arbeiten zu können.“ Erklärte sich hoffnungsvoll Antonia. Mit demselben süßlichem und zuvorkommenden „Kunden- Begrüßungslächeln“ antwortete ihr die ältliche Amtsdame: „-oh, das tut mir sehr leid wenn ich ihnen dazu sagen muss, dass diese Schulungen leider nicht mehr für ihre Altersgruppe vorgesehen sind. Sie sind ja schon bereits weit über vierzig Jahre und daher zu alt für solche Maßnahmen.“ Spätestens jetzt verfluchte Antonia im Stillem dieses Wesen vor ihr und wünschte sich dieser blöden Kuh mit einem Messer das hässliche Grinsen aus den Gesicht schneiden zu können. Zum Abschluss lies dieses Ungetüm vom Amt noch freundlichst verlauten, das eine Vermittlung auf dem Arbeitsmarkt in ihrem Alter und durch das „langjähriges Nichtsmachen“ so gut wie aussichtslos sei, aber sie würde sich auf jedem Fall darum kümmern und sie würde sich demnächst bei ihr melden. -Na vielen Dank auch, das hat gesessen. „… bloß keine Schwäche zeigen vor dieser Person, du bist nicht alt, nein du hast das alles nur falsch verstanden, das kann´s doch nicht gewesen sein, verdammt jetzt reiß dich zusammen und zeig niemandem da draußen was du eben hier erlebt hast“ – so schoß es der innerlich schwer gepeinigten Antonia wie Maschinengewehrkugeln durch den Kopf. Wie betäubt, mühsam ihren Hass und ihre Hilflosigkeit verbergend, verlies Antonia mit eiserner Selbstdisziplin, hoch erhobenen Kopf und einem braven aber erzwungenen Abschiedsgruß den Raum des Psychoterrors. Leise schloss Antonia die Bürotür, nahm mit einem Lächeln ihren Anton an die Hand und ging. Nur noch ein wenig stiller als sie sonst schon war, ging sie mit ihm in ihr neues zu Hause, ohne noch einmal groß über das soeben Erlebte zu sprechen, geschweige denn von ihren Gefühlen zu reden. Wurde sie doch plötzlich von einer Angst ergriffen, dass auch ihr Anton sie auf einmal als zu alt ansah, wie es ihr soeben von Amts wegen schonungslos vermittelt wurde. Tja, nun waren und blieben der Anton und die Antonia vorerst einmal arbeitslos. Während sie sich eine Halbtagsarbeit wünschte die sie auch körperlich und moralisch bewältigen konnte und ihr Anton eine Bewerbung nach der anderen schrieb, so hatten sie wenigstens sich und ihre zahlreichen Interessen, die sie schließlich einmal zusammen führten. Zwischendurch bewarb sie sich mal hier und mal dort für einen kleinen 400 Euro Job. In dieser und jener Boutique oder auch Anderswo in allseits geläufigen Drogerieketten. Entweder war die Stelle schon vergeben, oder man antwortete ihr nicht einmal auf ihre Bewerbung, geschweige, dass einige Betriebe etwa auf die Idee gekommen wären, ihr die Bewerbungsunterlagen zurück zu schicken. Doch meistens war sie eben irgendwie zu alt oder, … moment mal, vielleicht sogar zu deutsch? Wie war das doch gleich in der einen Drogeriekette, die so dringend Aushilfskräfte suchten? Auf einmal füllte eine junge Osteuropäerinnen die Regale auf. Ein junge Frau, der deutschen Sprache kaum mächtig, um der Antonia, als Kundin eine Frage zu beantworten wo der gesuchte Artikel denn zu finden sei. Ja selbst an den Kassen waren die meisten Damen zwar gerade noch der Zahlen mächtig, aber mehr auch nicht. Sind den Deutschen etwa schon die eigenen Fachverkäuferinnen ausgegangen? - Aber hallo, hier, gleich um die Ecke wohnt doch die Antonia. … – ach sie wissen nicht mehr lieber Filialleiter wer diese Antonia ist? Na die hat ihnen doch auch eine Bewerbung geschickt. Das ist die, die gleich hier um die Ecke wohnte und keine Kinder mehr zu betreuen hat. Die wäre doch flexibel, zwar keine Fachkraft, aber die suchten sie ja offensichtlich auch nicht. Zumindest ist sie eine Deutsche und versteht die Fragen und Nöte ihrer Kunden. … -achso, darauf kommt es ihnen nicht an. …- soso ich verstehe, die Mitarbeiter müssen billig sein. Selbst in einer Boutique wo auch Antonia gerne ihre Kleidung bezog, lehnte man sie als zu alt ab. „Nein, da kann ich ihnen keine Hoffnung machen, mein Chef möchte nur Angestellte und Aushilfskräfte bis höchstens dreißig Jahre haben“, sagte ihr die freundliche Mitvierzigerin an der Kasse bedauernd. „Aha!“ schlug es bei Antonia wieder einmal Alarm. „Schon wieder ein alternder notgeiler Chef der vor lauter Gier nach Apfelärschen und großer Oberweite vergessen hat, was Qualität im Service bedeutet. Nein danke, so was kann ich nun wirklich nicht gebrauchen.“ Übrigens bei einer ihrer nächsten Besuche in der Einkaufsgalerie, sah Antonia auch die nette ältere Dame an der Kasse nicht wieder. Denn statt ihrer stand jetzt eine große dunkelhaarige Schönheit aus dem Orient. Es dauerte noch einige Zeit und auch Antonias Anton gehörte nicht mehr dem immer kleiner werdenen Heer der Arbeitslosen an. Nein er wurde jetzt dem sich stetig steigendem Heer der e HartzIV – Opfer zugeteilt. Dem dunklen und entrechteten Heer von Menschen, von dem niemand gern sprach in Deutschland. Was man verheimlichte und verunglimpfte. Dem Heer, dem man sämtliche Missstände des Landes in die Schuhe schiebt, um von der eigenen Unfähigkeit abzulenken.Aber zurück zu Anton und Antonia, die fortan den Status der Bedarfsgemeinschaft erhielten. Es wurde immer schwieriger Bewerbungen zu schreiben, oder eine kleine Tätigkeit zu bekommen, ohne dass ihnen von der Obrigkeit gleich wieder, das angeblich „zuviel“ verdiente Geld abgezogen wurde. Unter diesen Umständen verging natürlich Anton und Antonia mit der Zeit die Lust, auch nur eine einzige kleine Arbeit anzunehmen, die ihnen etwas mehr Taschengeld bescheren sollten, um eventuell ein Stück ansehnliche Unterwäsche oder gar ein neues Bettsofa, was sie nach Antonias Einzug nun auch mal dringend nötig hätten, kaufen zu können. Ja selbst ein Frisör für 70 Euro, waschen, färben, schneiden inklusive, war eine Hürde. „Verflixt nochmal Herr Hartz“, dachte sich da die Antonia entrüstet; -„ ich bin doch eine Frau in den angeblich besten Jahren. Ehrlich gesagt fühle ich mich nun wirklich noch zu jung für graue Natursträhnen. Muss ich jetzt auch noch grauhaarig mit durchlöcherten Unterhosen durch die Gegend rennen?“ Aber sicherlich, Herr Hartz haben sie als vorbestrafter Überbürger ganz andere Sorgen, nämlich wie sie sich am vorteilhaftesten aus ihren zahlreichen unsittlichen Affären winden und ihre ebenso unsittlich verdienten Millionen so elegant wie möglich verschwinden lassen können.
Das sind natürlich viel wichtigere Sorgen, die mit den löchrigen Unterhosen einer Frau aus dem normalen Volk schließlich nicht zu vergleichen sind.

Nicht desto Trotz, Anton und Antonia versuchten sich weiterhin gesund zu ernähren, stellten das Rauchen ein und zogen sich aus dem gesellschaftlichen Leben zurück. Sie hatten es einfach satt, jedem mit einem gewissen Schuldgefühl und voller Scham, mitteilen zu müssen, das sie beruflich so gar nichts machen mussten, ja es war auch finanziell fast unmöglich geworden, an öffentlich kulturellen Veranstaltungen noch teil zu nehmen. Ein Auto brauchten sie nicht, da sie ja in der Stadt lebten und die Folgekosten eines Autobesitzes sind auch nicht zu unterschätzen. Allerdings wurden sie damit für den Arbeitsmarkt ohne fahrbaren Untersatz noch unattraktiver.

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Sonntag, 26. Oktober 2008, 11:31

Arbeitstitel - Aus dem Leben gegriffen - Teil III

Zitat

So ist das nun mal mit der vielgerühmten Flexibilität. Nur eines hätten die Beiden dank HartzIV jetzt machen können. Endlich eine größere Wohnung zu beziehen. Doch was sollten sie dort an Möbeln auch hineinstellen. Sie konnten ja nicht eben mal aus einem Einmannhaushalt plötzlich einen Zweimannhaushalt aus ihren Rippen schneiden. Schließlich wollte und konnte Antonia nicht viel von ihrem alten Haushalt mitnehmen und überlies die Sachen zugunsten ihres Ex Mannes und dem gemeinsamen Sohn, der verständlicherweise lieber bei seinem Vater und seinen vertrauten Freunden geblieben war. Letztendlich war den beiden auch bewusst, dass die Gelder die sie als HartzIV-ler erhielten, nichts anderes waren, als die Steuergelder unserer hart arbeitenden Mitmenschen und legten ihren Wunsch nach einer größeren Wohnung verbunden mit einer zwangsläufig höheren Miete vorerst auf Eis. Ja Herr Hartz, so ist das mit den Beiden. Im Gegensatz zu ihnen dachten der Anton und die Antonia nach, was sie verantworten können, und was nicht. Sie konnten sittsam sein und zu Not auch auf was verzichten, im Gegensatz zu ihnen Herr Dr. Hartz, sie kleiner Lustmolch. Aber soviel Ehrlichkeit – ein Wort was von –Ehre- kommt, können sie ja doch nicht verstehen, da sie bekanntlich so etwas nicht besitzen. Schließlich sind sie ja nicht umsonst nur ein vorbestrafter Gesetzesgeber und für uns, dem Volk, als ein ehemaliger Vertreter der führenden Gesellschaftschicht, dank ihrer dubiosen Machenschaften sowieso nicht mehr maßgebend. Also genießen sie ihre hohe Pensionen, wir neiden sie ihnen nicht nach, auch wenn wir wissen das sie der armen Antonia nicht mal neue Unterhosen gönnen würden. Jedoch eines kann ich ihnen mit Gewißheit versichern Herr Dr. Hartz, es wird kommen wie es kommen wird. Im Grab sind wir alle gleich. [....]

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