26. Mai 1945
Heute sollen wir nach Mittel-England verlegt werden. Eigentlich sollte der Transport schon gestern stattfinden. Also wird erfahrungsgemäß erst morgen etwas daraus. Von einer reibungslosen Organisation kann wohl kaum die Rede sein, denn das meiste macht einen hilflosen, improvisierten Eindruck. Jedenfalls packen wir schon, wenn man dem Zusammenraffen dürftiger Sachen wirklich den Namen "Packen" geben darf. Merkwürdig, wie man in Gefangenschaft größte Freud an den kleinsten Habseligkeiten hat. Es sind irgendwie stumme aber treue Gefährten und, wenn ich so meinen Rasierpinsel betrachte, ertappe ich mich bei einem freundschaftlichen Dialog mit ihm, denn auch er hat bessere Zeiten gekannt und auch er beginnt unter der Wucht der Zeit und ihrer traurigen Hoffnungslosigkeit seine Haare zu verlieren......
26. Mai 1952
[...] In Nürnberg habe ich eine interessante Unterredung mit dem Leiter der Zeitschrift "Nation Europa", die allein schon durch ihren Titel eine Herausforderung an alle Straßburg-Gaukler bedeutet. Ein bekannter Arzt, der mich seinerzeit in der Kriegsgefangenschaft im Fürther Lazaret versorgte, freute sich genau so wie ich über die unerwartete Begegnung. Er hat eine schwere Zeit hinter sich, mit Arbeitsverbot und sonstigen "demokratischen" Schikanen.
Abends fahre ich zu Mutter. Über dem kleinen mittelfränkischen Dorf hängt die wundersame Stille eines Vorsommerabends. Die Bauern stapfen bedächtig durch die Straßen und aus der Ferne muht ein Kuh. Die Bäume stehen bewegungslos im nächtlichen Himmel und ein aufgeschreckter Vogel huscht vorbei. Dieses Bild ist Deutschland und ich vergrabe es wie ein Kleinod tief in meinem Herzen.
Hans-Ulrich Rudel: "Verloren ist nur, wer sich selbst aufgibt!"